Brief an das Studentenwerk

Regensburg, 20. Juli 2007

Sehr geehrte Frau Dietl

Vor einigen Jahren wurde die vom Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz getragene Schauspielbühne "Studententheater" in "Theater an der Universität" bzw. "Theater an der Uni" umbenannt. Der Grund war meines Wissens die Namenskongruenz mit einer studentischen Theatergruppe, welche immer wieder zu Mißverständnissen führte. Leider wurde diese Umbenennung nur unvollständig umgesetzt. Beispielsweise ist der Schriftzug über dem Eingang zum Theater nie ausgewechselt worden. Dies hat zur Folge, daß die Spielstätte des Studentenwerks inzwischen keinen klar identifizierbaren Namen mehr trägt. In der Presse ist zu lesen vom "Uni-Studententheater", "Studententheater der Universität", "Studi-Bühne" usw. Häufig wird von Zuschauern das "Theater an der Uni" mit dem Audimax verwechselt.

Das Studentenwerk selbst spricht in seinen Veröffentlichungen mittlerweile meist nur noch vom "Theater" (siehe Studentenwerksplakat "Kultur auf dem Campus", Anzeige des Studentenwerks im Veranstaltungsanzeiger "Wohin"). Offensichtlich wurde der Versuch aufgegeben, dem "Theater" des Studentenwerks einen eindeutigen Namen zu geben.

Diesen Zustand halte ich, der ich seit Jahren diese Bühne mit meiner Gruppe "ueTheater" bespiele, für sehr unbefriedigend. Das "Theater an der Uni" bzw. "Theater" ist eine einmalige Einrichtung – nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland. Nirgendwo sonst können Studentinnen und Studenten frei und selbstverantwortlich ihre künstlerischen Ideen an einem professionell ausgestatteten Theater umsetzen. Eine derart einzigartige Spielstätte hätte wahrlich einen unverwechselbaren Namen verdient. Außerdem gebe ich zu bedenken, ein "namenloses" Theater kann leicht abgewickelt werden.

In Zusammenarbeit mit dem von den Sozialen Initiativen Regensburg e.V. gegründeten Bündnis "Kein Platz für Neonazis", möchte ich Ihnen daher einen Vorschlag unterbreiten, dessen Prüfung ich Ihnen sehr ans Herz lege. Vor einigen Jahren stieß ich in dem Buch des Regensburger Professors Wilhelm Kick "Sag es unseren Kindern - Widerstand 1933-1945" auf den Namen Elly Maldaque. Nach intensiver Beschäftigung mit Elly Maldaque und ihrem traurigen Schicksal bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß es kaum eine würdigere Namensgeberin geben könnte. Ich schlage daher vor, das Theater im Studentenhaus in "Elly Maldaque Theater" umzubenennen.

Lebensdaten Elly Maldaques

Elly Maldaque wurde am 5. November 1893 in Erlangen geboren. Nach ihrer Ausbildung zur Volksschullehrerin unterrichtete sie zuerst an verschiedenen bayerischen Schulen. Schließlich kam sie nach Regensburg und lehrte von 1920 bis zu ihrem Lebensende an der hiesigen Von-der-Tann-Schule.

Sie war nach allen Schilderungen überlebender Zeitzeugen eine sehr engagierte und äußerst beliebte Lehrkraft. Als erste und einzige evangelische Volksschullehrerin in Regensburg, war sie fortschrittlichen Ideen gegenüber überaus aufgeschlossen:

"Sie war der Zeit voraus, das Fräulein Maldaque. Ich kann mich zum Beispiel erinnern, daß sie mit unserer Klasse zur Ausstellung "Der Mensch" im Regensburger Stadtpark gegangen ist. Und zwar war das eine Ausstellung, wo man gesehen hat, wie die Kinder entstehen. Und meine Mutter war froh. Sie hat gesagt, "Da muß ich Dich nicht aufklären". Deswegen mußte Fräulein Maldaque zum Schulrat gehen und hat eine Verweisung bekommen." (Anna-Maria Schneider, ehemalige Schülerin Elly Maldaques in "Regensburger Frauenspuren" von Ute Kätzel und Karin Schrott, 1995)

Besonders beschäftigte Elly Maldaque die soziale Frage, wobei sie es nicht bei Worten beließ. Sie half, wo sie konnte, ging in die Armenviertel, förderte schwache aber auch überdurchschnittlich begabte Schülerinnen und Schüler über ihre normale Arbeitszeit hinaus und leistete ihren bescheidenen Mitteln entsprechend sogar finanzielle Hilfe. Ihr Einsatz brachte sie oft an den Rand der Erschöpfung.

"Eine einmalige Frau. Die hat jedem, dem sie helfen hat können, geholfen. Auch uns Jugendliche hat sie direkt ins Herz geschlossen. Und immer war diese Frau auch für alte Leute da. Die hat sie betreut. Die hat eingekauft für alte Leute, die nicht mehr so richtig haben laufen können. Die hat sogar manchen Familien geputzt – was noch nie eine gemacht hat. Als Lehrerin hätte sie das doch gar nicht machen müssen. Aber die Frau Maldaque, die hat das gemacht ..." (Zeitzeuge Ludwig Zaubzer in einem Feature von Joseph Berlinger und Thomas Muggenthaler)

Nach und nach geriet sie durch ihr Engagement und unvoreingenommenes Interesse an politischen Fragen ins Visier der Regensburger Politischen Polizei, "Hakenkreuzler" besorgten die Spitzeldienste. Die Berichte der Politische Polizei hatten schließlich die fristlose Kündigung Elly Maldaques zur Folge – nach 17 Jahren vorbildhaften Schuldienst, ohne Versorgungsansprüche, ohne die geringste finanzielle Absicherung. Es wurde ihr unterstellt, da sie gelegentlich bei kommunistischen Singkreisen Klavier spielte, "wirkendes" Mitglied der KPD zu sein. Dies war falsch. Elly Maldaque war zu keiner Zeit Mitglied irgendeiner politischen Partei.

"Sie war, sag ich immer, der Zeit voraus. Sie hat einem viel fürs Leben mitgegeben ... Und außerdem haben sie bei uns in der Schule erzählt, daß sie von dem wenigen, das sie verdient hat, manche Mark an Arbeitslose gegeben hat, dort, wo sie Klavier gespielt hat. Damals hat es doch die vielen Arbeitslosen gegeben. Also war sie eine Idealistin für mich. Wenn sie eine Kommunistin war, war sie für mich eine Idealistin, eine Edelkommunistin, wie man so sagt." (Anna-Maria Schneider in "Regensburger Frauenspuren".)

Die gesamte Elternschaft solidarisierte sich mit Elly Maldaque und schrieb an die Regierung der Oberpfalz einen gemeinsamen Brief, worin die sofortige Rücknahme der Kündigung gefordert wurde:

"Die unterfertigten Eltern sind nach heute Abend erfolgter gegenseitiger Aussprache zu der einstimmigen Überzeugung gekommen, daß Fräulein Maldaque sich in keiner Weise einer Unterrichtsart bedient hat, die einer christlichen Schule widersprechen würde. Die Eltern sprechen hiermit Fräulein Maldaque das vollste Vertrauen aus und bedauern es im Interesse ihrer Kinder, daß diese tüchtige, streng gerechte Lehrerin den Kindern genommen wurde". (Aus der Entschließung der Elternversammlung vom 7. Juli 1930, zitiert nach Jürgen Schröder "Horváths Lehrerin von Regensburg - Der Fall Elly Maldaque", 1982)

Elly Maldaque erlitt jedoch wenige Tage später einen Nervenzusammenbruch und starb kurz darauf unter bis heute nicht endgültig geklärten Umständen im Krankenhaus Karthaus-Prüll. Tausende von Regensburgerinnen und Regensburgern nahmen an ihrer Beerdigung teil.

"Schon Mittags begann die Wanderung zum Friedhof, so daß bis zu dem festgesetzten Zeitpunkt ein paar Tausend versammelt waren. Am Leichenzug beteiligten sich außer den Verwandten fast die gesamte Lehrerschaft von Regensburg sowie die Schülerinnen des zweiten Kurses und die ehemaligen Schülerinnen des achten Kurses. Erschütternd war es, als ein greiser Lehrer schilderte, daß Elly Maldaque gerade für die Kinder, welche besonders begabt waren, und für die Kinder der Arbeiter ein besonders gutes Herz gehabt habe und ihnen all ihre Sorgfalt gewidmet habe. Die Beteiligung am Begräbnis hat gezeigt, daß die gesamte Bevölkerung überzeugt ist von dem großen Unrecht, das an der Lehrerin Maldaque verübt wurde, wurde doch das Wort »Justizmord« offen von ganz bürgerlich eingestellten Leuten ausgesprochen." (26. Juli 1930. Neue Zeitung, siehe Schröder 1982)

Ihr Tod rief republikweit große Empörung hervor. Wiederholt wurde darauf hingewiesen, daß nationalsozialistische Lehrer keine vergleichbare Behandlung erfuhren.

"In der Oberpfalz ist z. B. ein nationalsozialistischer Lehrer auf Veranlassung der katholischen Elternvereinigung wegen Überschreitung des Züchtigungsrechtes strafversetzt worden, aber strafversetzt in der Weise, daß er auf einen besseren Posten befördert worden ist. Wir könnten noch ein halbes Dutzend solcher Lehrer anführen. Diese Lehrer werden durchaus nicht gehindert, ihre Hetze, die auch auf gewaltsame Umstürzung des heutigen Staatswesens hinausgeht, zu betreiben." (Die Sozialdemokratin Elisabeth Kaeser im Bayerischen Landtag während einer Debatte zum Fall Elly Maldaque, 31. Juli 1930, siehe Schröder 1982)

Umsonst. Elly Maldaque wurde nie rehabilitiert. Der weitere Verlauf der Geschichte verhinderte dies. Sie wurde aber auch nie vergessen. 1985 beispielsweise brachte die FDP-Politikerin Elke Wollenschläger im Regensburger Stadtrat den Antrag ein, die Von-der-Tann-Schule in Elly-Maldaque-Schule umzubenennen. Leider fand das Vorhaben keine Mehrheit. Inzwischen erinnert eine Plakette an der Von-der-Tann-Schule und an der Orleanstraße 4, dem letzten Wohnort, an Elly Maldaque.

"Elly Maldaque – der Name hat einen seltenen Klang." (17. Juli 1931, Regensburger Echo, siehe Schröder 1982)

Bedeutung für das Theater

Mit der Umbenennung des "Theaters an der Universität" in "Elly Maldaque Theater" würde eine Person geehrt, deren beispielhaftes und aufopferungsvolles Leben für sich schon eine Ehrung verdient. Aber Elly Maldaque hat darüber hinaus speziell für das Theater, und nicht zuletzt für das "Theater an der Universität", eine herausragende Bedeutung.

  • Das tragische Schicksal Elly Maldaques bewegte zahlreiche Künstlerinnen und Künstler zu Bühnenstücken. So schrieb Ödon von Horváth ein Stück über "Die Lehrerin von Regensburg", das leider aufgrund des frühen Todes des Dramatikers nicht vollendet wurde.
  • Das Regensburger Stadttheater führte 1999 am Bezirksklinikum Regensburg die Oper "An der schönen blauen Donau" von Franz Hummel auf. Unter Leitung des bekannten Regisseurs Josef Rödl wurden am Orginalschauplatz die letzten Tage Elly Maldaques nachgezeichnet. Hummel schreibt im Programmheft: "Die Grundzüge der Handlung sind schnell erzählt, aber nicht Gegenstand meines Interesses an diesem Stoff, sondern nur die Bedingung, unter der die Vernichtung einer vorbildlichen, idealistisch gestimmten Persönlichkeit zustande kommt."
  • Bereits zwei studentische Theatergruppen des "Theaters an der Universität" haben den Stoff bearbeitet: Regensburger Studententheater/Reinhart Meyer: "Elly Maldaque - Tod einer Lehrerin", sowie ueTheater/Kurt Raster: "Elly Maldaque, denn du bist nicht Deutschland".
  • Mindestens zwei weitere Theaterstücke sind über Elly Maldaque verfaßt und aufgeführt worden (Schauspielgruppe Gymnasium Neutraubling/Evelin Rebentrost: "Der Fall Elly Maldaque - Eine Zerstörung"; Josef Wolfgang Steinbeißer: "Lehrerin Elly").

Keine andere Regensburger Persönlichkeit regte zu derart vielen Bühnenwerken an, wie Elly Maldaque.

Bedeutung für die Universität

Für eine Bildungseinrichtung wie die Universität hat der von Elly Maldaque gelebte Berufsethos besonderen Wert und Ausstrahlungskraft.

  • Elly Maldaque war eine äußerst engagierte und fortschrittliche Pädagogin. "Sie war der Zeit voraus", berichten Zeitzeugen. Die Wissensvermehrung und das Fördern besonders begabter Schüler und Schülerinnen war ihr ein Herzensanliegen. Dies macht sie zu einem Vorbild für alle Lehrinstitutionen.
  • Wissen und Erkenntnis waren für Elly Maldaque aber nie Selbstzweck, sondern alle Forschung sollte letztlich dem Glück und der Freiheit der Menschen dienen. Eine Hochschule ist sicher nicht der ungeeignetste Platz, daran zu erinnern. Ein Zitat aus Elly Maldaques Tagebuch: "Der Mensch ist die höchste Souveränität, die es gibt, aber den Weg zu seinem Ziele finden, das ist das ungeheure Problem. Gut werden – das ist und bleibt das Einzige und Letzte – aber das Gute zur Erkenntnis bringen und tun – das ist es." (siehe Schröder 1982)
  • Elly Maldaque war eines der ersten Opfer einer zunehmend nazistisch beeinflußten Politik. Der Leiter der Regensburger Politischen Polizei, der eine Hauptschuld am tragischen Ende Elly Maldaques trägt, machte im Dritten Reich schnell Karriere. Er wurde Chef der örtlichen Gestapo, wies Häftlinge in das KZ Dachau ein und führte dort mitunter auch selbst Verhöre durch. Mit der Benennung eines Gebäudes nach Elly Maldaque wird ein Zeichen gesetzt gegen das neuerliche und erschreckende Vordringen nationalsozialistischen Gedankenguts, das leider auch vor einer Universität nicht haltmacht. So warnte Innenminister Beckstein im Zusammenhang mit dem leider gescheiterten Verbotsverfahren gegen die NPD eindringlich vor der zunehmende Unterwanderung von Hochschulen durch Rechtsextremisten.

Der Name "Elly Maldaque Theater" verbindet die Universität mit der Stadt. Auch die unmittelbare Nähe zum Bezirksklinikum, in dem Elly Maldaque ihre letzten Tage verbrachte, spricht für eine Umbenennung.

Der Name Elly Maldaque steht für

Humanismus:

"Gebt den Menschen ihre Rechte und sie werden alle gut sein." (Elly Maldaque, Tagebucheintrag siehe Schröder 1982)

Menschenliebe:

"Und es soll doch alles menschliche Streben zu Liebe für das andere werden"; "Der Weisheit letzter Schluß ist die milde und die unversiegbare Liebe"(ebda.)

Gerechtigkeit:

"Nun fällt mir alles leicht und alles versteht sich von selbst und alle Kräfte stellen sich ein, seit ich den Urquell des Lebens erkannt habe und den Weg des Menschenrechts gehe." (ebda.)

Elly Maldaques hat diese Grundsätze nicht nur aufgeschrieben, sondern auch gelebt, mutig gelebt, wovon ihr tragisches Schicksal zeugt. Ein Umbenennung des Theaters des Studentenwerks in "Elly Maldaque Theater" würde zwar das Unrecht, das man dieser Frau angetan hat, nicht aus der Welt schaffen, aber es wäre zumindest ein Schritt dahingehend, daß ähnliches nicht wieder passiert.

Ich hoffe, daß Sie diese Gründe überzeugen. Was die Kosten einer Umbenennung betrifft, erklärt sich das ueTheater bereit, alles uns mögliche zu tun, um die fehlenden Gelder aufzutreiben. Ich glaube versichern zu können, daß die finanzielle Seite einer Umbenennung kein Problem darstellen dürfte, da der Fall Elly Maldaque nach wie vor vielen Menschen in Regensburg sehr nahe geht.

Mit freundlichen Grüßen

Kurt Raster