Landtagsdebatte

31. Juli 1930. Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Bayerischen Landtags

Elisabeth Kaeser (SPD):

Ich wende mich nun dem Falle Maldaque zu. Der grausamen Rücksichtslosigkeit der Bureaukratie ist ein Menschenleben zum Opfer gefallen und nach dem Zeugnisse vieler ein wertvolles Menschenleben. Es mag der Keim zur Krankheit in der körperlichen Disposition der Verstorbenen gelegen sein, ausgelöst wurde die Krankheit durch die Schuld der Regierung. Diese Schuld ist um so größer, als entgegen den Zusicherungen der Regierung die nationalsozialistisch tätigen Lehrer eine völlig andere Behandlung erfahren, als sie diese kommunistisch gesinnte Lehrerin erfahren hat.

In der Oberpfalz ist z.B. ein nationalsozialistischer Lehrer, der in voller Öffentlichkeit die Hetze gegen den heutigen Staat betreibt, auf Veranlassung der katholischen Elternvereinigung wegen Überschreitung des Züchtigungsrechtes strafversetzt worden, aber strafversetzt in der Weise, daß er auf einen besseren Posten befördert worden ist, auf einen Posten, an dem er jetzt seine Hetze gegen den Staat genau so ungehindert weitertreiben kann wie vorher. In Aschaffenburg hat ein Trupp unreifer Jungen unter Führung eines nationalsozialistischen Lehrers dem Herrn Innenminister einen höhnischen Empfang bereitet dadurch, daß sie sich vor ihm aufstellten mit den Braunhemden in der Hand, sprechchorartig sich für das Uniformverbot bedankten und in Zwischenräumen immer wieder »Heil Hitler!« riefen. Der Herr Innenminister soll über diesen Empfang recht wenig erbaut gewesen sein.

Ich habe selbst das Beispiel eines nationalsozialistischen Professors, auch in Aschaffenburg, angeführt, der die Pfalzfeier zu einer Hetze gegen den Staat benutzte. Wir könnten noch ein halbes Dutzend solcher Lehrer anführen; z. B. fällt mir jemand aus dem Oberland ein. Diese Lehrer werden durchaus nicht gehindert, ihre Hetze, die auch auf gewaltsame Umstürzung des heutigen Staatswesens hinausgeht, zu betreiben. Von diesen Dingen weiß, scheint es, der Herr Unterrichtsminister nichts. Von der Lehrerin Maldaque aber, von deren kommunistischer Gesinnung geschweige denn Betätigung weder Schülereltern noch Kollegen noch Schulleiter etwas wußten, davon weiß der Herr Kultusminister etwas und sagt, daß sie kommunistisch gewirkt hat. (...)

Ich möchte daher den Herrn Kultusminister fragen: Hat er veranlaßt oder gebilligt, daß diese Lehrerin, die sich nie etwas zuschulden hat kommen lassen, die vier Jahre lang Kriegsaushilfe geleistet hat und zehn Jahre lang eine achte Klasse zur vollen Zufriedenheit geführt hat, zwei Tage vor dem Wirksamwerden der Entscheidung ihre Entlassung zugestellt bekommen hat? Hat der Herr Kultusminister veranlaßt oder gebilligt, daß die Lehrerin, die 17 Jahre im Schuldienste war, ohne daß die Schulleitung, die Eltern, die Kollegen und vor allem ohne daß sie selbst auch nur ein einziges Mal amtlich vernommen worden wäre, entlassen worden ist? (...)

Wenn dann jemand, ohne auch nur einmal vernommen worden zu sein (...) entlassen wird, so müssen schon ganz ungeheuere Dinge vorliegen, wenn sich das überhaupt einigermaßen rechtfertigen ließe. Die Schulbehörde von Regensburg ist bei dieser Angelegenheit überhaupt ausgeschaltet gewesen; die Sache ist nur von der Polizei und von der Regierung behandelt worden. Noch dazu hatte man die Beschwerde der Lehrerin gegen die Entlassung überhaupt abgewiesen und sie als überflüssig erklärt.

Meine letzte Frage ist die: Was wird die Regierung jetzt tun? Soll der Fall erledigt sein, weil die Tote nicht mehr sprechen kann?

Kultusminister Dr. Franz Goldenberger (Bayerische Volkspartei)

(...) Damit komme ich dann zu dem Falle der Lehrerin Maldaque in Regensburg. Die Auffassung, daß das Unterrichtsministerium Lehrer, die einer anderen politischen Richtung angehören und sich, wie behauptet wird, in politischer Beziehung zu weit hervorgetan haben, anders behandle wie diesen Fall, diese Auffassung lehne ich ab. Ein Beweis dafür kann nicht erbracht werden. Wenn das Unterrichtsministerium die notwendigen Grundlagen und das nötige Tatsachenmaterial hat, so wird es gegen alle diejenigen, die tatsächlich sich disziplinär verfehlt haben, in gleich objektiver Weise vorgehen. Nun hat das Mitglied des Landtags, das den Antrag der Sozialdemokratischen Partei vertreten hat, als erste Frage gestellt, ob das Unterrichtsministerium von dem Falle bereits Kenntnis erhalten habe, bevor die Regierung selbst instanziell Stellung genommen hat. Ich habe nicht den geringsten Anlaß, hier irgend etwas zurückzuhalten; der Fall findet seine vollständige Aufklärung. Dem Unterrichtsministerium ist von der politischen Betätigung einer Lehrkraft in Regensburg von anderer Seite Mitteilung gemacht worden. Das Unterrichtsministerium hat darauf einen Bericht von der Regierung eingefordert, hat die Akten, die die Regierung vorgelegt hat, vorläufig durchgesehen und die Akten zurückgegeben an die Regierung mit einer Entschließung vom 21. Juni mit dem Wortlaute:

»Gegen die sofortige Lösung des Dienstverhältnisses der widerruflichen Lehrerin Elly Maldaque in Regensburg nach Art. 5 Abs. II und III des Volksschullehrergesetzes besteht vorbehaltlich der instanziellen Würdigung ihrer etwaigen Beschwerde keine Erinnerung.« (...)

Ich komme damit dann zum letzten Punkte. Das ist die Kinderfreundeorganisation.

(Zuruf von der Sozialdemokratischen Partei: Wo bleibt der Vergleich mit den nationalistisch tätigen Lehrern?)

Sie haben den Eingang meiner Rede offenbar überhört. Ich habe zurückgewiesen, was von Ihnen selbst gesagt worden ist, daß das Ministerium ungleich verfahre. Nennen Sie mir Namen und bringen Sie mir Tatsachen!

(Lebhafte Zurufe von der Sozialdemokratischen Partei.)

Beweise und Tatsachen! Was nicht in den Akten ist, ist nicht geeignet zur weiteren Behandlung.

(Zuruf von der Sozialdemokratischen Partei: Warten Sie nur, bis sie Ihnen wieder auf der Nase herumtanzen!)

Ich glaube, Sie sind nicht ganz unterrichtet.

(Lebhafte Zurufe von der Sozialdemokratischen Partei.)

(Glocke des Präsidenten.)

(zitiert nach Jürgen Schröder "Horváths Lehrerin von Regensburg - Der Fall Elly Maldaque", 1982)