Zeitzeugen

Interview mit Martha Weber

Martha Weber gehörte der 8. Mädchenklasse des Schuljahres 1927/28 an, die von Elly Maldaque geführt wurde.  

Wie hat sie sich als Lehrerin in der Klasse verhalten?

Wir haben sie sehr gern gehabt, alle.

War sie streng?

Naja, die war schon streng, aber nicht zu streng.

Und als Mensch ...

... war sie sehr gut, also wie gesagt, sie war sehr beliebt ...

Gibt es irgendwelche Anlässe, die Sie wieder an Elly Maldaque erinnern?

Ach Gott, vergessen tut man die nicht, so schnell überhaupt nicht. Im Geist seh' ich's immer noch. Weil sie sehr, sehr ... (Ehemann Hans Weber fällt ihr ins Wort und sagt, »weil sie aufgeschlossen war«), naja, aufgeschlossen, ja ... Wir sind zum Beispiel oft in den Villapark hinüber gegangen.

Was haben Sie dort gemacht?

Naturunterricht.

Während der Schulzeit?

Jaja, während der Schulzeit.

Hans Weber: Das Klassenzimmer in die freie Natur zu verlegen, war damals modern.

Denken Sie noch an sie?

Ja freilich. Ich seh' sie ganz genau noch vor mir.

Hatte sie so etwas Trauriges?

Nein, traurig könnte man nicht sagen. Sie war ernst, aber nicht traurig.

Interview mit Anna-Maria Schneider und Anni Mayer

Anna-Maria Schneider, geborene Hefele, und Anni Mayer, geborene Blab, gingen während des Schuljahres 1929/30 in die 8. Mädchenklasse bei Elly Maldaque. Sie waren somit Schülerinnen ihrer letzten 8. Klasse. 

Sie haben zwei Fotos mitgebracht. Eines zeigt Sie als junge Mädchen, mit den damals üblichen »schicken« schwarzen Badeanzügen. Wo wurde das Foto aufgenommen?

A.-M. SCHNEIDER: Das war ein Ausflug von der Schule an die Naab zwischen Etterzhausen und Penk, und da sind wir ins Wasser gegangen. Da trugen wir die schwarzen Badeanzüge. Damals war man noch nicht so offen. Eine hatte ein Kleid an.

Wie haben Sie diesen Tag in Erinnerung?

A.-M. SCHNEIDER: Danach kam ein Gewitter und wir mußten uns lange in einer Kegelbahn in Penk unterstellen mit Fräulein Maldaque.

Was haben Sie in dieser Zeit gemacht?

A.-M. SCHNEIDER: Wir haben uns unterhalten und gesungen.

A. MAYER: Das war eine super Lehrerin. So könnte man sich jede Lehrerin wünschen. Wir waren zum Beispiel kinderreich. Wir waren neun Geschwister, und da war die einmalig.

A.-M. SCHNEIDER: Und sie war so persönlich. Sie hat jede mit dem Vornamen angesprochen.

A. MAYER: Ja, das war schön. Sie hat nie den Nachnamen, sondern immer den Vornamen gesagt.

Und wie hielten das die anderen Lehrer?

A.-M. SCHNEIDER: Die haben immer den Familiennamen gesagt. Außerdem ist uns Fräulein Maldaque vorgekommen wie eine Mutter.

A. MAYER: Genau!

A.-M. SCHNEIDER: Wirklich wie eine Mutter, gar nicht wie eine Lehrerin. Man ist gerne in die Schule gegangen, was sonst oft in dem Alter gar nicht der Fall ist.

A. MAYER: Wir haben sie auch manchmal heimbegleitet. Zwei oder drei sind mit ihr nach Hause zu ihrer Wohnung. Wir haben sie bloß bis zur Haustüre gebracht, und dann sind wir wieder abgehauen.

So anhänglich war die Klasse?

A.-M. SCHNEIDER und A. MAYER: Ja. Die war einmalig.

Hier ist noch eine Fotografie, sieht aus wie ein Wandertag im Herbst?

A.-M. SCHNEIDER: Ja da war es schon kalt. Da waren wir an der Räuberhöhle.

A.-M. SCHNEIDER: Also, gekauft hat man wenig. Weil finanziell war ja nichts da. Praktisch hat man sich alles mitgenommen, ein paar belegte Brote und vielleicht Obst. Das war schon alles. Oder eventuell einen Tee noch. Wir waren auch fünf Kinder daheim. Da hat man sich gar nichts leisten können.

Auf diesem anderen Foto trägt Elly Maldaque auch einen Badeanzug. Sie sieht sehr sportlich aus!

A.-M. SCHNEIDER: Ja sie war wirklich sehr sportlich! Sie ging mit uns sogar zum Schwimmunterricht ins Freibad an der Schillerwiese. Und sie war eine sehr intelligente Frau. Im Unterricht hatte sie eine wunderbare Aussprache. Da haben wir jeden Buchstaben verstanden.

Sie kam ja aus Erlangen. Hatte sie einen fränkischen Akzent?

A.-M. SCHNEIDER: Nein. Sie hat wunderbar hochdeutsch gesprochen.

Wie war sie denn in der Schulklasse? War sie streng?

A.-M. SCHNEIDER: Nein, das kann man nicht sagen.

A. MAYER: Wenn wirklich was war, dann hat sie das alles in einer Güte geregelt. Also, daß man sagt, man hätte vor ihr Angst gehabt, wie bei manchem Lehrer ... auf keinen Fall. Bei ihr nicht.

Hat es damals noch Körperstrafen gegeben?

A. MAYER: Ja, Tatz'n

A.-M. SCHNEIDER: Aber in der 8. Klasse nicht mehr.

A. MAYER: Und die Maldaque hätte das ja überhaupt nicht gemacht!

Bei welcher Gelegenheit fällt Ihnen heute die Elly Maldaque ein?

A.-M. SCHNEIDER: Also, die erste Zeit war das für mich furchtbar. Sie müssen sagen, wir waren 14 Jahre alt. Das war der erste Schock in meinem Leben, wenn jemand so wegstirbt.

A. MAYER: Kannst Du Dich noch erinnern? Da sind doch so viele Schüler dort gewesen. Alles hat geweint.

A.-M. SCHNEIDER: Sogar die Polizisten, denen sind die Tränen gekommen, weil sie uns Kinder gesehen haben, wie wir weinen auf dem Friedhof.

Woran erinnern Sie sich noch bei ihrer Beerdigung?

A. MAYER: Es waren viele Schülerinnen und Schüler auf dem Friedhof, die bei ihr in die Schule gegangen sind. Und in jedem Gesicht sind die Tränen nur so heruntergeronnen. Das hat uns so berührt!

Was hat man Ihnen erzählt, was passiert ist?

A.-M. SCHNEIDER: Da hat man gar nichts Richtiges erfahren. Sie haben was von einer Lungenentzündung gesagt, aber ob das gestimmt hat? Das glaube ich nicht. Sie war der Zeit voraus, das Fräulein Maldaque. Ich kann mich zum Beispiel erinnern, daß sie mit unserer Klasse zur Ausstellung »Der Mensch« im Regensburger Stadtpark gegangen ist. Und zwar war das eine Ausstellung, wo man gesehen hat, wie die Kinder entstehen. Und meine Mutter war froh. Sie hat gesagt, »da muß ich dich nicht aufklären«. Deswegen mußte Fräulein Maldaque zum Schulrat gehen und hat eine Verweisung bekommen. In der 8. Klasse war das ...

Man hat ihr ja nachgesagt, daß sie politisch die Kinder agitiert hätte?

A.-M. SCHNEIDER: Ach wo! In meiner Klasse nicht, politisch überhaupt nichts.

A. MAYER: Nein, weil das wüßte ich noch ...

Und wie war es mit der Religion. Man hat ihr nachgesagt, sie hätte sich geweigert, mit den Kindern zu beten?

A.-M. SCHNEIDER: Ach wer sagt denn das! Wir haben am Anfang gebetet und am Schluß, ein ganz kurzes Gebet, ich könnte es Ihnen nicht mehr wörtlich sagen. Und den Religionsunterricht hat bei uns ein Vikar gegeben. Der hat Daum geheißen. Das war aber allgemein so üblich ...
Sie war, sag ich immer, der Zeit voraus. Sie hat einem viel fürs Leben mitgegeben ... Und außerdem haben sie bei uns in der Schule erzählt, daß sie von dem wenigen, das sie verdient hat, manche Mark an Arbeitslose gegeben hat, dort, wo sie Klavier gespielt hat. Damals hat es doch die vielen Arbeitslosen gegeben. Also war sie eine Idealistin für mich. Wenn sie eine Kommunistin war, war sie für mich eine Idealistin, eine Edelkommunistin, wie man so sagt.

(Aus "Regensburger Frauenspuren" von Ute Kätzel und Karin Schrott, 1995)