Ackermann-Skätsch zum 1. Mai

Premiere

Ackermann-Skätsch
zum 1. Mai

Sketch und Lied

01.05.2006
Haidplatz Regensburg

 


Besetzung

Ackermann Rolf Muszeika
Journalistin    Martina Reitz
Band Martina Reitz, Rolf Muszeika, Ludger Heinrich, Barbara Braun, Johannes Ludsteck, Sabine Baumgärtner, Kurt Raster
Text, Regie Kurt Raster

Info

2006 probten wir im Keller des DGB Regensburg für unser Stück "großer bruder 2010 (II). Der damalige DGB-Chef Willi Dürr fragte uns, ob wir nicht etwas zum 1. Mai für die zentrale Kundgebung auf dem Haidplatz machen wollten. Gerne waren wir dazu bereit.


Text

Interview mit Josef Ackermann

JOURNALISTIN: Willkommen zu einer neuen Folge unserer beliebten Talkrunde "Männer von heute". Begrüßen Sie mit mir recht herzlich den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Herrn Josef Ackermann! Guten Tag Herr Ackermann. Ich muß schon sagen, Sie zeigen Mut, auf einer 1. Mai Kundgebung zu erscheinen.

ACKERMANN: Ach was! Hier versammeln sich Arbeiter und auch ich bin ein hart arbeitender Mensch.

JOURNALISTIN: Nur, daß Sie einen mehrere hundert Mal* höheren Stundenlohn haben, als die Leute, die jetzt vor Ihnen stehen...

ACKERMANN: Sehen Sie, ich arbeite hart und ich leiste viel. Bessere Leistung muß besser entlohnt werden. Das sehen die Kollegen von der Gewerkschaft sicher genauso.

JOURNALISTIN: Sie leisten 500 mal mehr, als der Arbeiter am Fließband?

ACKERMANN: Ich weiß, das ist nicht so leicht zu verstehen. Hier spielen wirtschaftliche Zusammenhänge eine Rolle, bestimmte Charaktereigenschaften...

JOURNALISTIN: Wie sieht denn so ein klassischer Tag bei Ihnen aus?

ACKERMANN: Nun, morgens fährt mich mein Chauffeur zuerst einmal ins Fitneß-Center. Für meinen Job muß man fit sein, wissen Sie. Da darf man keine Schwäche zeigen.

JOURNALISTIN: Fit muß auch eine Arbeiterin sein, sonst fliegt sie!

ACKERMANN: Genau. Unsere Gesellschaft verlangt von uns permanente Höchstleistung.

JOURNALISTIN: 5 Millionen offizielle Arbeitslose würden gerne Höchstleistungen bringen, die Wirtschaft läßt sie aber nicht.

ACKERMANN: Das ist bedauerlich, aber jeder hat sein Schicksal in der Hand. Man darf nicht aufgeben, muß flexibel bleiben, sich fortbilden. Manchmal muß man auch mal was machen, was einem nicht so Spaß macht, auch für weniger Geld.

JOURNALISTIN: Würden Sie für 3 bis 5 Euro Stundenlohn arbeiten?

ACKERMANN: Wie gesagt, man darf sich nicht zu schade sein für Arbeit.

JOURNALISTIN: Aber Arbeit, die nicht mehr zum Leben reicht, ist die nicht irgendwie sinnlos?

ACKERMANN: Nach jedem Tief gibt es wieder ein Hoch. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche.

JOURNALISTIN: Wir waren bei Ihrem Tagesablauf. Was machen sie nach dem Fitneß-Center?

ACKERMANN: In der Regel treffe ich mich mit verschiedenen Geschäftspartnern zum Branchen. Das dauert so 1 Stunde.

JOURNALISTIN: Klingt ja nicht gerade nach harter Arbeit?

ACKERMANN: Um gute Geschäfte abzuwickeln braucht man eine angenehme, entspannte Atmosphäre. Das wird Ihnen jeder Businessmann bestätigen.

JOURNALISTIN: Und Businessfrau! Oder tanzen Frauen bei Ihnen nur auf den Tischen?

ACKERMANN: Hahaha, bei uns doch nicht! Das waren die Kollegen von VW. Wir arbeiten seriös!

JOURNALISTIN: Und nach dem seriösen Frühstücksbranchen...?

ACKERMANN: ...informiert mich meine Sekretärin über die Termine des Tages, legt mir Verträge zur Unterschrift vor, brieft mich über wichtige Vorkommnisse usw.

JOURNALISTIN: Und danach gehen Sie zu Mittag?

ACKERMANN: Ja. Natürlich ist Mittagessen für mich nicht Freizeit. Die wichtigsten Entscheidungen werden beim Mittagessen getroffen.

JOURNALISTIN: Auch die Entscheidung, 6400 Stellen zu streichen bei 87 % Gewinnsteigerung Ihrer Bank?

ACKERMANN: Glauben Sie mir, es war nicht leicht, Mitarbeitern zu kündigen, die ja mit ihrer Arbeit viel dazu beigetragen haben, daß die Deutsche Bank ein der größten Gewinnsteigerung in ihrer Geschichte einstreichen konnte.

JOURNALISTIN: Auf mich wirkte das nicht so. War es nicht sehr plump und geradezu geschäftsschädigend von Ihnen, gleichzeitig Stellenstreichung und Gewinnexplosion zu verkünden? Ich würde sagen, das war keine Glanzleistung.

ACKERMANN: Es zählen die Gewinne und Gewinne macht man, in dem immer effektiver gearbeitet wird. Wer dies anders sieht, lebt im Wolkenkuckucksheim.

JOURNALISTIN: Es zählen bei Ihnen also nicht die Menschen?

ACKERMANN: Natürlich! Aber was nutzt Menschen eine Bank, die pleite ist?

JOURNALISTIN: Und was nutzt eine Bank, wenn die Menschen pleite sind?

ACKERMANN: Jeder Mensch, der sich anstrengt, wird wieder Arbeit finden.

JOURNALISTIN: Allerdings nicht bei der Deutschen Bank, denn die muß Gewinne machen!

ACKERMANN: Die deutsche Wirtschaft hat endlich wieder Hoffnung geschöpft. Der DAX liegt bei über 6000 Punkten. Das war zuletzt vor 5 Jahren der Fall.

JOURNALISTIN: Nach dem Mittagessen beginnen Sie aber mit der richtigen Arbeit?

ACKERMANN: Haha, ein guter Witz. Das leben eines Vorstandsvorsitzenden besteht nunmal hauptsächlich in Reden, diskutieren, Vorträge halten...

JOURNALISTIN: Apropos Vorträge. Sie halten auch Vorlesungen an einer Hochschule?

ACKERMANN: Ja, ich liebe das. Ich sehe das aber nicht als Arbeit, das mache ich aus Spaß an der Freud. Der Austausch mit Studenten, Schlange stehen in der Mensa, herrlich!

JOURNALISTIN: Sie zahlen der Universität 1 Million Euro pro Jahr, damit Sie dort dozieren dürfen. Andere gelangen zu dieser Ehre erst nach schweißtreibenden wissenschaftlichen Leistungsnachweisen.

ACKERMANN: Nun, ich habe ein paar Leistungsnachweise erbracht oder? Ich habe den Aktionären 25 Prozent Rendite versprochen und dieses Versprechen gehalten. Es ist gut, wenn auch Praktiker an den Hochschulen unterrichten.

JOURNALISTIN: Sie wurden 2003 wegen gewissen sagen wir mal seltsamen Vorkommnissen bei der Mannesmannübernahme angeklagt. Das Verfahren läuft noch. Lernen Sie den Studis auch die unfeinen Tricks der Gewinnmaximierung?

ACKERMANN: Ich habe das schon einmal gesagt und wiederhole das hier: Deutschland ist das einzige Land, in dem diejenigen, die Erfolg haben und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen. Und so seltsam können die Methoden nicht gewesen sein, immerhin saßen auch Gewerkschafter im Aufsichtsrat!

JOURNALISTIN: Wurde das Stillhalten der Gewerkschafter mit legalen Methoden erreicht?

ACKERMANN: Sie müssen verstehen, das Verfahren läuft noch...

JOURNALISTIN: Gerhard Schröder, der den größten Abbau von Sozialleistungen seit dem Ende des Krieges zu verantworten hat, nannte Sie die "Oberheuschrecke". Schmerzt Sie das, oder macht es Sie stolz?

ACKERMANN: Weder noch. Politiker spielen ihr Spiel, ich das meine. Sehn Sie, ich bin eigentlich ein Mann der Kultur. Wirtschaft ist meine Arbeit, aber bei Musik und Literatur lebe ich auf. Wußten Sie, daß ich ausgebildeter Tenor bin? Soll ich ihnen etwas vorsingen? O sole mio ist meine Glanznummer. Moment. (Er summt sich kurz ein und fängt dann fürchterlich zu trällern an. In der ersten Reihe versteckte Schauspieler bewerfen ihn mit Schaumstofftomaten. Unter Buhrufen wird die Bühne gestürmt. Die Bühnenstürmer stimmen das folgende Lied an.)


Lied

Lied von der Leistung

Verkäuferin
Ich schaffe bei Lidl
registriere die Preise
zigtausend am Tag
das steht im Vertrag

Stemm Kisten, schwere Paletten
schnell, schnell, denn an der Kasse
die Kundin schon wartet
der Chef schon wieder schaut

So schaffe ich Tage
so schaffe ich Jahre
koste der Wirtschaft
nur einen kleineren Betrag

Doch Ackermann, hinter den sieben Bergen
der leistet noch hundertmal mehr als ich

Programmierer
Ich tippe Programme
Zeile für Zeile
8 Stunden am Tag
der Computer und ich

Mir flimmern die Augen
das Kreuz schmerzt, die Sehnen weinen
und morgen muß ich fertig sein
heut wird's wohl länger werden

Doch Ackermann...

Call Center
Ich berate die Kunden
telefoniere um mein Leben
5 Tage die Woche
Samstag, Sonntag, Wechselschicht

Immer freundlich, immer nett
was die Firma verbockt
das bade ich aus
lüge ich schlecht, fliege ich raus

Doch Ackermann...

Fliesenleger
Ich verlege die Fliesen
in Bädern und Toiletten
immer auf den Knien
das macht den Menschen müde

Und immer im Akkord
und immer Überstunden
bring alles in der Arbeit
und abends zu müde für Liebe

Doch Ackermann...

Fließband Autofabrik
Schraub Türen in Autos
am Band und in Schicht
mindestens 9 Stunden
danach bin ich erledigt

Die anderen sind billiger
so hör ich's jeden Tag.
drum auch wenn ich krank bin,
schlepp ich mich zur Arbeit

Doch Ackermann...

Doch Dieter Zetsche, Wendelin Wiedeking, Pischetsrieder, Gerhard Schröder und so weiter
leisten noch hundertmal mehr als ich


Szenenbilder

Fotos: Herbert Baumgärtner