Liebe statt Hass

Premiere

Liebe statt Hass

Szenische Rede

15. Oktober 2017
D.-Martin-Luther-Str. Regensburg

 


Besetzung

Elly Maldaque Kristin Palfreyman
Martin Luther Matthias Kürzinger
1. Geige Walther Hoffmann
2. Geige Johannes Ludsteck
Bratsche Marlene Neuland
Cello Aurélie Pérez
Text, Musik, Redner Kurt Raster

Presseinfo

„Liebe statt Hass“ - Elly Maldaque statt Martin Luther!

Am 15. Oktober 2017 veranstaltet der Bund für Geistesfreiheit Regensburg zusammen mit der Initiative Recht auf Stadt eine Kundgebung zu Ehren der Regensburger Lehrerin Elly Maldaque. Ziel: Umbenennung der D.-Martin-Luther-Str. in Elly-Maldaque-Str. Symbolträchtig wird dafür die nach dem Religionsgründer benannte Straße für mehrere Stunden gesperrt werden. Wo ansonsten Autos und Motorräder dröhnen wird ein Streichquartett und eine szenische Rede mit Schauspieleinlagen erklingen.

Der Hassprediger

Luther war ein Hassprediger. Daran können auch seine treuesten Anhänger*innen nicht rütteln. Hinlänglich bekannt dürften seine Tiraden gegen die Juden sein. Er rief dazu auf, deren Synagogen zu verbrennen, ihre Häuser einzureißen, sie in Arbeitslager zu stecken und sie letztendlich zu liquidieren, „damit nicht das ganze Volk verdorben werde.“ Damit wurde Luther zum eigentlichen Stichwortgeber des Antisemitismus der Nationalsozialisten.

Aber auch gegen aufständische Bauern, die für etwas mehr Gerechtigkeit und Menschenrechte kämpften, kannte er nur ein Mittel: totschlagen „– so, wie man einen tollen Hund totschlagen muss.“

Doch damit ist Luthers Liste der Todeskandidaten noch lange nicht abgehakt. Auch für behinderte Kinder kannte er nur eine Lösung: ersäufen, „denn solche Wechselkinder sind lediglich ein vom Satan in die Wiege gelegtes Stück seelenloses Fleisch, das nicht gedeiht, sondern nur frisst und säugt.“ Selbstredend wollte er auch Hexen „selber verbrennen“ und untreue Frauen „rädern und ädern lassen.“

Menschenliebe und Menschenrecht

„Der Weisheit letzter Schluss ist die Milde und die unversiegbare Liebe.“ So lautete ein Tagebucheintrag der Regensburger Lehrerin Elly Maldaque, die von 1920 bis 1930 an der Von-der-Tann-Volksschule unterrichtete. Krasser lässt sich die Gegenposition zu Luther kaum formulieren.

Elly Maldaque stammte aus einem streng-evangelischen Elternhaus. Doch sie befreite sich vom Kinderglauben und überholten Weltanschauungen: „All die falschen Moral- und Gesellschaftsbegriffe, alles Alte habe ich in mir gestürzt.“ Und bald fand sie ihr eigenes Glaubensbekenntnis: „Nun fällt mir alles leicht und alles versteht sich von selbst und alle Kräfte stellen sich ein, seit ich den Urquell des Lebens erkannt habe und den Weg des Menschenrechts gehe.“

Da sie sich immer mehr für die soziale Frage interessierte, wurde die Politische Polizei, der damalige Verfassungsschutz, bald auf sie aufmerksam. „Hakenkreuzler“ wurden engagiert, um sie zu beschatten. Zwar konnte der Lehrerin nichts Gesetzwidriges nachgewiesen werden, trotzdem wurde sie umgehend aus dem Schuldienst entlassen. Da sie keine Ruhe geben mochte, wurde sie wenig später unter einem Vorwand in die Psychiatrie verfrachtet, wo sie nach nur wenigen Tagen, am 20. Juli 1930 verstarb.

Der Tod der Lehrerin aus Regensburg beschäftigte damals ganz Deutschland. Viele überregionale Zeitungen berichteten. Der Regensburger Journalist Rupert Limmer brachte den Grund für das Interesse auf den Punkt: „Was heute einer des Kommunismus verdächtigen Lehrerin passiert, kann morgen jedem Menschen passieren, der überhaupt nur sich zu denken erlaubt, was mit der offiziellen Lesart nicht übereinstimmt.“

Aus der Geschichte nichts gelernt?

Elly Maldaque gilt heute zurecht als erstes Opfer des Nationalsozialismus in Regensburg. Ihr Schicksal zeigt exemplarisch, wohin es führt, wenn der Staat gegen links prügelt und rechte Kräfte gewähren lässt. Haben wir aus Ellys Schicksal gelernt? Leider lautet die Antwort: Nein!

Rechte Terrorgruppen, wie der NSU, der dank der Mithilfe des Verfassungsschutzes gedeihen konnte, werden als zufällige Ansammlungen isolierter Einzeltäter*innen dargestellt. Hochrangige Politiker*innen beteiligen sich lautstark an der Diffamierung Schutzsuchender. Antifaschistische Gruppen dagegen, wie die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA e.V.) werden vom Staat als Verfassungsfeinde betrachtet. Und in Regensburg ist eine zentrale Straße nach einem der größten Totschläger (Luther über Luther) der Geschichte benannt, aber immer noch keine Straße, keine Schule oder ein Platz nach Elly Maldaque. Jedes Bemühen in diese Richtung wurde von der jeweiligen Regierungspartei, ganz gleich ob CSU oder SPD, abgelehnt oder unterlaufen. An der Universität ist eine studentische Theatergruppe akut von Auftrittsverbot und Geldbuße bedroht, weil sie sich für das Gedenken an Elly Maldaque einsetzt.

Wieder zieht eine neofaschistische Partei mit einem erschreckenden Ergebnis in den Bundestag ein. Es ist höchste Zeit, demokratische Zeichen zu setzen. Die Benennung der Straße, in welcher der Stadtrat tagt, nach der Menschenfreundin Elly Maldaque wäre ein demokratisches Zeichen. Die Beibehaltung des ursprünglichen Namens ist auch ein Zeichen, allerdings kein demokratisches.


Kritik

Regensburg Digital, 17. Oktober 2017

Der „Hassprediger“ und die „Lehrerin von Regensburg“

Eine Kundgebung zur Umbenennung der D.-Martin-Luther-Straße am vergangenen Sonntag zeigt: Sowohl mit Blick auf Martin Luther, als auch auf die Regensburger Lehrerin Elly Maldaque besteht nach wie vor einiger Aufklärungsbedarf. Von Stefan Aigner

Einige Passanten bleiben am Sonntag interessiert, manchmal etwas ungläubig stehen. Ist es der schwarz gewandte Prediger, der schreiend fordert, Ehebrecherinnen zu rädern und jüdische Synagogen abzufackeln? Das Streichorchester, das in den Pausen immer wieder kurze Stücke zum Besten gibt? Oder ist es einfach die Tatsache, dass die D.-Martin-Luther-Straße am Sonntag nicht als übliche Hauptverkehrsachse durch die Regensburger Altstadt dient, sondern komplett gesperrt und mit Bierbänke bestückt ist und bei dem sonnigen Wetter den Eindruck erweckt, als wäre die breite Straßengabelung vor dem Neuen Rathaus einer der gemütlichsten Plätze in Regensburg?

Kontroversen im Vorfeld

Mit ihrem gemeinsamen Beitrag zum Luther-Jahr – Motto: „Liebe statt Hass – Elly statt Luther“ – hatten der Bund für Geistesfreiheit und die Initiative „Recht auf Stadt“ um den Politaktivisten Kurt Raster bereits im Vorfeld für kontroverse Diskussionen in den sozialen Medien gesorgt. Ein entsprechender Beitrag in der Facebookgruppe „Du bist ein echter Regensburger“ verzeichnet über 700 Kommentare, in denen größtenteils Unverständnis, aber auch Unwissen zum Ausdruck gebracht wurde. Luther – ein Hassprediger und Antisemit? Quatsch! Muss man echt schon wieder eine Straße umbenennen? Was ist das hier für ein Diskussionsstil? Und überhaupt: Wer ist eigentlich Elly Maldaque?

Wer die szenische Lesung vor dem Rathaus verfolgt, dem wird – fast ausschließlich anhand von Primärquellen – recht rasch Luthers (zumindest in der Forschung weithin bekannte) Judenhass vor Augen geführt. Minutenlang lässt Raster den Prediger (dargestellt von Matthias Kürzinger) Originalzitate aus Schriften Luthers vortragen. Dann folgt Elly Maldaque (Kristin Palfreyman) mit Einträgen aus ihrem Tagebuch. Dazwischen eingestreut immer wieder die Frage: „Warum ist nach so jemanden wie Luther eine Straße benannt? Warum nicht nach Elly Maldaque?“

„Straßenschild verschweigt die dunklen Seiten.“

Die Forderung nach der Umbenennung von Luther-Straßen und -Plätzen ist nicht originär regensburgerisch. Der „Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten“ hat im vergangenen Jahr anlässlich des Reformationstages diese Forderung für ganz Deutschland aufgestellt. „Wenn heute an Martin Luther erinnert werden soll, darf dies nicht kritiklos geschehen“, so der Vorsitzende René Hartmann. „Angesichts seiner Intoleranz gegenüber Andersdenkenden, seiner Geringschätzung der Frau und vor allem seines extremen Antijudaismus ist Luther als Namensgeber für Straßen und Plätze absolut ungeeignet.“ Ein Straßenschild verschweige zwangsläufig die dunklen Seiten des Reformators und trage somit zu einem falschen Geschichtsverständnis bei, so Hartmann.

In Regensburg wurde anlässlich des Lutherjahrs auch dessen Judenfeindschaft thematisiert. Im September war hier – auf Initiative des Evangelischen Bildungswerks – die Ausstellung „Luther und die Juden“ zu sehen. Man müsse anlässlich des Reformationsjubiläums auch auf „die Kehrseiten“ Luthers schauen, heißt es im flankierenden Ausstellungstext.

Die Forderung nach einer Umbenennung von Luther-Straßen und -Plätzen ist freilich eine Minderheitenposition – in Regensburg nehmen etwa 60 Menschen an der knapp zweistündigen Kundgebung teil und erstaunlich ist, dass viele zwar über den Antisemitismus Luthers, aber nur wenige über das Schicksal der Regensburger Lehrerin Elly Maldaque wissen.

Wer ist Elly Maldaque?

Im Auftrag der Staatsmacht wurde die 36jährige Frau 1930 von Hakenkreuzlern bespitzelt, weil sie sich für kommunistische Ideen interessierte. Unter fadenscheiniger Begründung wurde die beliebte Lehrerin an der Von-der-Thann-Schule schließlich entlassen. Nach einem Nervenzusammenbruch landete sie in der Irrenanstalt Karthaus, wo sie wenige Tage später unter bis heute ungeklärten Umständen starb. Ihr sorgte damals deutschlandweit für Empörung, Erschütterung und Schlagzeilen – bei ihrer Beerdigung waren Zeitungsberichten aus der damaligen Zeit zufolge über 3.000 Trauergäste.

Der „Fall Maldaque“ gilt heute als beispielhaft für die zunehmende Zusammenarbeit zwischen einer reaktionären Staatsmacht mit den Nationalsozialisten am Ende der Weimarer Republik, für den schleichenden Verlust des Rechtsstaats, hin zum Unrechtsregime der NS-Herrschaft. Elly Maldaque war nicht Opfer der Nazis, sondern einer herrschenden politischen und gesellschaftlichen Haltung, in der aktive Gegner der Nationalsozialisten bekämpft wurden, so dass deren Machtübernahme zumindest beschleunigt, wenn nicht gar erst ermöglicht wurde.

Vorstöße für ein Andenken abgeschmettert

Immer wieder gab es Vorstöße zur Benennung einer Straße oder eines Platzes nach der „Lehrerin von Regensburg“, so der Titel eines entsprechenden Theaterstücks von Ödön von Horváth, die Raster am Sonntag Revue passieren lässt. 1992 gab es einen Antrag der Grünen im Regensburger Stadtrat zur Umbenennung der Von-der-Thann-Straße, 1994 sollte die damals noch nach dem Nazibürgermeister Hans Herrmann benannte Schule Maldaques Namen bekommen – beide Vorstöße wurden von der CSU-Mehrheit abgeschmettert.

Als 2015 die Hans-Herrmann-Schule tatsächlich umbenannt werden sollte und sich bei einer Online-Umfrage die Mehrheit für Elly Maldaque ausgesprochen hatte, blieb auch dies folgenlos. Die Schule trägt heute den Namen des Künstlers Willi Ulfig.

Kommentar: Gutes Ziel, falsches Vorgehen

Ob es zielführend ist, die berechtigte Kritik an Martin Luther mit der berechtigten Interesse nach einer angemessenen Erinnerung an Elly Maldaque im Rahmen der Forderung nach einer Umbenennung der D.-Martin-Luther-Straße verbinden, kann man bezweifeln. Letzteres dürfte kaum durchsetzbar sein, die Benennung einer Straße oder eines Platzes nach Maldaque aber durchaus. Vielleicht muss sich der Aktivist Kurt Raster auch die Frage stellen lassen, ob sein Diskussionsstil in der Facebookgruppe „Du bist ein echter Regensburger“ oder sein konfrontatives Vorgehen, beim Versuch, das Unitheater in Elly-Maldaque-Theater umbenennen zu lassen zum erwünschten Ergebnis führen können. Ungeachtet all dessen hat die Veranstaltung am Sonntag aber gezeigt, dass sowohl mit Blick auf Luther als auch auf Elly Maldaque einiger Aufklärungsbedarf besteht, oder, wie Raster es ausdrückt: „Das eine wird verdrängt, das andere unterdrückt.“


Video

 

Szenenbilder

Fotos: Herbert Baumgärtner