Die Mutter

Premiere

Die Mutter

von Bertold Brecht

27. Mai 2011
Brandlbräu Regensburg

 


Besetzung

Kapitalistin Karin Killy
Kapitalist Armin Kind
Pelagea Wlassowa Gerlinde Munoz
Pawel, Zweiter Streikbrecher Julian Niedermeier
Andrej, Metzger Ben Peis
Mascha, Frau des Metzgers, Mieterin Friede Brehm
Kommissar, Karpow, Lehrer, Erster Streikbrecher, Hausbesitzer Rolf Muszeika
Polizist, Pförtner, Arbeiter, Arbeiterin, Der alte Arbeiter Smilgin, Die Arbeiterin Iwanowna, Der Arbeitslose Anton Sigorski, Gefängnisaufseher, Luschin Publikum
Regie und Musik Kurt Raster

Presseinfo

Die Mutter

Frei nach Brecht, Gorki und Hartz IV

Eine weitgehend unbekannte Geschichte ist die Freundschaft zwischen Bertold Brecht und Karl Valentin. Brecht bewunderte Valentin und wurde von ihm maßgeblich beeinflußt. So geht der berühmte V-Effekt – Verfremdung einer Rolle durch distanzierte Darstellung – auf Valentin zurück. Er spiele immer jemanden, der nur für Geld spielt, mit einem Minimum von Aufwand, vermerkte Brecht.

Vor allem aber imponierte Brecht am Valentin-Theater, "daß man rauchen und trinken kann". Der Raucher, argumentierte Brecht, nehme die Haltung eines kühlen, kritischen Beobachters ein. Er nannte sein episches Theater später "Rauchtheater", und im Zwischenspiel von "Mann ist Mann" forderte Brecht das Publikum auf, "tüchtig zu rauchen".

Nun, rauchen darf man zwar nicht während der neuen Inszenierung des ueTheaters frei nach Brechts Klassiker „Die Mutter“, aber dafür um so mehr Essen und Trinken. Der Brandlbräu in der Ostengasse ist mit seiner großen Theatergeschichte dafür der ideale Ort. Um das Geschehen noch unmittelbarer zu machen, wird „Die Mutter“ ohne Bühne präsentiert, nach Art eines Krimidinners.

Brechts „Mutter“ spielt in Rußland kurz vor der Oktoberrevolution. Anfangs steht Mutter Pelagea Wlassowa den revolutionären Umtrieben ihres Sohnes Pawel noch äußerst skeptisch gegenüber. Doch nach und nach verstricken sie die Ereignisse immer tiefer in die Auseinandersetzungen, bis sie selbst zu einer überzeugten und gewitzten Kämpferin für die Sache des Proletariats wird. Brecht verwandte für sein Bühnenwerk Elemente aus Maxim Gorkis gleichnamigen Roman.

Das ueTheater ergänzt die Geschichte mit Kommentaren beinharter Neoliberaler, die kein gutes Haar an Oktoberrevolution und Sozialismus lassen. Doch ist der Kapitalismus wirklich das Ende der Geschichte? Ist er alternativlos?

Brecht war da, wie wir wissen, ganz anderer Meinung. Für ihn war Kommunismus das einzig lohnende Ziel. Das ueTheater läßt die beiden Ideen in einem spannenden Theaterabend gegeneinander antreten. Wer wird gewinnen?


Kritik

www.regensburger-tagebuch.de, 06. Juli 2011

Brecht als Event – Rezension zu Rasters „Die Mutter“

Von Peter Burkes

Linkes politisches Theater das Spaß macht, geht das? Und darf man das überhaupt, angesichts gesellschaftlicher Verhältnisse, die über Leichen gehen? Und ist das nicht etwas out , interessieren die Gedankengänge von damals noch die Leute von heute?

Das ueTheater wagt mit Brechts „Die Mutter“ den Versuch. Und den Zuschauerinnen und Zuschauern, ganz gleich welcher politischen Couleur, schien es gewaltig zu gefallen. Denn mit jeder Aufführung kamen mehr, beim letzten Auftritt musste man die Leute nach Hause senden, und das bei herrlichstem Wetter.

Mich persönlich hat das Stück nicht nur wegen seiner Machart begeistert, sondern auch inhaltlich sehr nachdenklich gemacht. Aus diesem Grunde möchte ich etwas eingehender über die Adaption dieses Stückes von Kurt Raster erzählen.

Das Konzept

Aber ist das wirklich Brechts „Mutter“, das das" ueTheater" unter der Regie von Kurt Raster da aufspielt? Eingeleitet und moderiert wird die Aufführung von zwei sogenannten „Kapitalisten“, Jörg und Sabine. Brecht sei eben rentabel, darum sei er auch in ihren Kreisen hochgeschätzt. Trotzdem wäre das Projekt aus Kostengründen beinahe gescheitert, wäre man nicht auf die rettende Idee gekommen, einfach das Publikum einzubeziehen. So könne man teure Nebenrollen einsparen, und das beste daran: „Sie zahlen sogar noch dafür, mitspielen zu dürfen“, verkünden die Kapitalisten ironisch.

Rollenzettel werden verteilt. Wer aufgerufen werde, habe den entsprechenden Satz vorzulesen. Daneben, so die Kapitalisten weiter, habe man das Stück auch modernisiert. Zwar bleibe das Schauspiel eins zu eins Brecht, aber die Lieder seien „den historischen Tatsachen angepaßt worden“. Wie das aussieht, erfährt man gleich im Eröffnungslied. Während es bei Brecht heißt: „Was immer du tust / Es wird nicht genügen“, wärmen die Kapitalisten die alte Mär „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ auf: „Was immer du tust / Du hast es in deiner Hand“. Brecht wird ins Gegenteil verkehrt. Eine beißende Kritik auf den Versuch des Mainstreams, Brecht zu entpolitisieren . Die Zuschauer bekamen Zettel mit den Liedtexten zum Mitlesen, und zwar synoptisch, links der aktuelle Liedtext, rechts der ursprüngliche Liedtext.

„Die Mutter“

Das Stück heißt "Die Mutter" und handelt nicht etwa von "Mutter Courage", das ebenfalls von Brecht ist. Vielmehr geht es um die Mutter eines Arbeiters, der sich gewerkschaftlich engagiert und mit Flugblättern zum Streik aufruft – was aus ihrer Sicht rechtswidrig ist. Die Geschichte geht über den Tod des Sohnes hinaus und zeigt auch noch Szenen, in denen die Mutter, inzwischen bestens informiert, Jahre nach dem Tod des Sohnes weiter kämpft.

Die Inszenierung kommt ohne Bühne aus, es wird sozusagen mitten unterm Volk gespielt, zwischen den Tischen des Lokals. „Das hätte Brecht gefallen, dem alten Sozi!“, kommentieren Jörg und Sabine. Das Stück selbst spielt in Rußland im Jahr 1905. Kapitalisten: „Die Oktoberrevolution steht schon als drohende Wolke am Horizont.“ Mutter Pelagea Wlassowa bedauert, ihrem Sohn Pawel keine bessere Suppe herschaffen zu können. Auch sieht sie mit großer Unruhe, daß ihr Sohn sich zunehmend der revolutionären Bewegung anschließt. Sie hat Angst, daß er dadurch seinen Arbeitsplatz verliert. Die Kapitalisten stimmen ihr hierin vollkommen zu und rufen im folgenden Lied alle Arbeitslosen zur Eigeninitiative auf.

Brecht beschreibt nun sehr genau den Prozeß der Politisierung von Mutter Pelagea. Der Streik für bessere Löhne wird von Polizei und Soldaten niedergeschossen und sie erkennt, daß der Staat allein auf Seiten des Kapitals steht. Nur die Umwälzung des Staates kann daher die Lösung bringen. Sie lernt lesen und schreiben, denn „Lesen ist Klassenkampf!“. Mit viel Witz und Bauernschläue agitiert sie unter den Landarbeitern, eröffnet eine illegale Druckerei und läßt nichts unversucht, die Sache der Bolschewiki voranzubringen. Sogar der Tod ihres Sohnes, der auf der Flucht erschossen wird, bringt sie nicht von ihrem Weg ab: „Es war gut, was Pawel gemacht hat.“

Schließlich, nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, während die Stimmung im Land kippt, die Matrosen meutern und die Arbeiter und Bauern sich gegen den Zaren erheben, trägt Mutter Pelagea die Rote Fahne der Revolution: „Als ich vor vielen Jahren mit Sorgen sah, daß mein Sohn nicht mehr satt wurde, habe ich zuerst gejammert. Da änderte sich nichts. Dann half ich ihm bei seinem Kampf um die Kopeke. Damals sind wir in kleinen Streiks für bessere Löhne gestanden. Jetzt stehen wir in einem Riesenstreik und kämpfen um die Macht im Staate.“

Die "Kapitalisten"

Immer wieder unterbrechen die Kapitalisten und versuchen Brecht nach Kräften zu entwerten. Aus dem „Lob des Kommunismus“ wird „Lob des Kapitalismus“, aus dem „Lied vom Flicken und vom Rock“ wird das „Lob der Sozialpartnerschaft usw. Doch zum Schluß wird es den Brechtschauspielern zu bunt. Unter dem Drohgesang „Wer noch lebt, sage nicht niemals!“ werden die Kapitalisten des Saales verwiesen. Hier bezieht das ueTheater also eindeutig Stellung.

Darstellung

Das ueTheater hat keinen festen Schauspielerstamm. Kurt Raster organisiert immer wieder neue Leute. Studenten spielen neben „Donaustrudlern“, Schauspielschüler neben „Ersttätern“, Jung neben Alt. Trotzdem – oder gerade deswegen – funktioniert das Konzept. Kurt Raster holte sich wieder Gerlinde Munoz und wollte sie diesmal unbedingt für die Hauptrolle. Diese spielt nicht die Mutter, sie ist es.

Julian Niedermeier und Elfriede Brehm treffen den Pathos ohne Kitsch, Ben Peis erhält für seinen „Metzger“ spontanen Szenenapplaus und Rolf Muszeika schafft es anscheinend spielend, jeder seiner insgesamt fünf Figuren einen eindeutigen und glaubhaften Charakter zu verleihen. Die beiden Kapitalisten Karin Killy und Armin Kind führen als Kapitalisten-Moderatoren souverän und mit viel Humor durch den Abend.

Auch ihr Gesang läßt sich hören, sofern man berücksichtigt (was den meisten Zuschauern aber leider nicht bekannt war), dass manche Lieder absichtlich etwas "unsauber" gesunden wurden, um das Feeling der früheren Brechtlieder trotz moderner Melodien erhalten bleibt.

Insgesamt eine erstaunliche Leistung für ein „Laientheater“. Eigentlich wie jedesmal, wenn Kurt Raster ein Stück auf die Beine stellt. Was er aus den Schauspielern herausholt, ist enorm.


Dokumentation

Lieder

 

Lob des Tellerwaschens

Brecht

Wasche den Teller,
Wasche ihn gründlich!
Wenn du fleißig waschen tust,
Bist du bald ein reicher Mensch!
Bürste den Rock
Bürste ihn zweimal!
Wenn du ihn gebürstet hast
Ist er ein sauberer Lumpen.
Koche mit Sorgfalt,
Scheue keine Mühe!
Wenn die Euros rollen
Siehst du, Leistung lohnt sich!
Koche mit Sorgfalt
Scheue keine Mühe!
Wenn die Kopeke fehlt
Ist die Suppe nur Wasser.
Arbeite, arbeite mehr!
Spare, teile besser ein!
Rechne, rechne genauer!
Denn dann wächst dein Kapital,
und du kannst alles machen.
Arbeite, arbeite mehr
Spare, teile besser ein
Rechne, rechne genauer!
Wenn die Kopeke fehlt
Kannst du nichts machen.
Was immer du tust,
du hast es in deiner Hand!
Deine Lage ist schlecht,
aber sie wird besser.
Strample dich ab,
und bald schon bist du Millionär!
Was immer du tust
Es wird nicht genügen
Deine Lage ist schlecht
Sie wird schlechter.
So geht es nicht weiter
Aber was ist der Ausweg?
Wie der Adler, der sein Junges mit dem Besten zu füttern vermag, machtvoll gegen den winterlichen Schneesturm seinen Weg erkämpft und triumphiert, wirst auch du deinen Weg erkämpfen
und triumphieren!
Wie die Krähe, die ihr Junges nicht mehr zu füttern vermag, machtlos gegen den winterlichen Schneesturm keinen Ausweg mehr sieht und jammert, siehst du auch keinen Ausweg und jammerst.
Was immer du tust,
du hast es in deiner Hand!
Deine Lage ist schlecht,
aber sie wird besser.
Strample dich ab,
und bald schon bist du Millionär!
Was immer du tust
Es wird nicht genügen
Deine Lage ist schlecht
Sie wird schlechter.
So geht es nicht weiter
Aber was ist der Ausweg?
Furchtlos arbeite und scheue die Mühe nicht, zu ersetzen das Ersetzbare und einzuholen das scheinbar Unmögliche. Wenn das Geld fließt, ist dein Lohn genug. Über das Fleisch, das du in deiner Küche brätst, entscheidest nur du. Fruchtlos arbeitet ihr und scheut die Mühe nicht zu ersetzen das Unersetzbare und einzuholen das nicht Einzuholende. Wenn die Kopeke fehlt, ist keine Arbeit genug. Über das Fleisch, das euch in der Küche fehlt, wird nicht in der Küche entschieden.
Was immer du tust,
du hast es in deiner Hand!
Deine Lage ist schlecht,
aber sie wird besser.
Strample dich ab,
und bald schon bist du Millionär!
Was immer ihr tut
Es wird nicht genügen
Eure Lage ist schlecht
Sie wird schlechter.
So geht es nicht weiter
Aber was ist der Ausweg?


Ausweg durch Eigeninitiative


Brecht: Lied vom Ausweg

Wenn du keine Suppe hast,
Wie willst du dich da wehren?
Da darfst du nicht den Staat,
du mußt dich selbst umkehren
Bis du deine Suppe hast.
Dann bist du dein eigener Gast.
Wenn du keine Suppe hast
Wie willst du dich da wehren?
Da mußt du den ganzen Staat
Von unten nach oben umkehren
Bis du deine Suppe hast.
Dann bist du dein eigener Gast.
Wenn für dich keine Arbeit zu finden ist,
Da mußt du dich doch wehren!
Da darfst du nicht den Staat,
du mußt dich selbst umkehren
Bis du dein eigener Arbeitgeber bist.
Worauf für dich Arbeit vorhanden ist.
Wenn für dich keine Arbeit zu finden ist
Da mußt du dich doch wehren!
Da mußt du den ganzen Staat
Von unten nach oben umkehren
Bis du dein eigener Arbeitgeber bist.
Worauf für dich Arbeit vorhanden ist.
Wenn man über eure Schwäche lacht
Wie wollt ihr euch da wehren?
Da müßt ihr euch kümmern drum
Daß alle, die schwach sind, kapieren:
Jeder hat es in seiner Macht,
Worauf ihr zuletzt lacht.
Wenn man über eure Schwäche lacht
Wie wollt ihr euch da wehren?
Da müßt ihr euch kümmern drum
Daß alle, die schwach sind, marschieren.
Dann seid ihr eine große Macht.
Worauf keiner mehr lacht.


Lob der Sozialpartnerschaft


Brecht: Lied vom Flicken und vom Rock

Immer, wenn euer Rock zerfetzt ist
Kommt ihr gelaufen und sagt: so geht das nicht weiter
Dem muß abgeholfen werden und mit allen Mitteln!
Und voll Eifer rennen wir zu den Herren
Während ihr, stark frierend, wartet.
Und dann erzählen sie uns, ohne Triumph
was sie erobert auf den Märkten der Welt: Einen kleinen Flicken.
Gut, sie haben einen Flicken
aber ihr wollt
einen ganzen Rock?
Immer, wenn unser Rock zerfetzt ist
Kommt ihr gelaufen und sagt: so geht das nicht weiter
Dem muß abgeholfen werden und mit allen Mitteln!
Und voll Eifer rennt ihr zu den Herren
Während wir, stark frierend, warten.
Und ihr kommt zurück, und im Triumphe
Zeigt ihr uns, was ihr für uns erobert:
Einen kleinen Flicken.
Gut, das ist der Flicken
Aber wo ist
Der ganze Rock?
Immer wenn ihr vor Hunger schreit
Kommt ihr gelaufen und sagt: so geht das nicht weiter
Dem muß abgeholfen werden und mit allen Mitteln!
Und voll Eifer rennen wir zu den Herren
Während ihr, voll Hunger wartet.
Und dann erzählen sie uns, ohne Triumph
was sie erobert auf den Märkten der Welt:
Ein Stücklein Brot.
Gut, sie haben ein Stück Brot
aber ihr wollt
einen ganzen Brotlaib?
Immer wenn wir vor Hunger schreien
Kommt ihr gelaufen und sagt: so geht das nicht weiter
Dem muß abgeholfen werden und mit allen Mitteln!
Und voll Eifer rennt ihr zu den Herren
Während wir, voll Hunger, warten.
Und ihr kommt zurück, und im Triumphe
Zeigt ihr uns, was ihr für uns erobert:
Ein Stücklein Brot.
Gut, das ist das Stück Brot
Aber wo ist
Der Brotlaib?
Sie haben doch nur einen Flicken
Sie haben nicht den ganzen Rock.
Sie haben doch nur das Stück Brot
Sie haben nicht den Brotlaib selbst.
Ihr aber habt einen Arbeitsplatz
Ihr habt ihn Dank der Fabrik.
Und ein Auskommen und Sicherheit und
das braucht eins: Partnerschaft!
Das ist was wir brauchen.
Und das
bieten sie uns an!
Wir brauchen nicht nur den Flicken
Wir brauchen den ganzen Rock.
Wir brauchen nicht nur das Stück Brot
Wir brauchen den Brotlaib selbst.
Wir brauchen nicht nur den Arbeitsplatz
Wir brauchen die ganze Fabrik.
Und die Kohle und das Erz und
Die Macht im Staat.
So, das ist, was wir brauchen.
Aber was
Bietet ihr uns an?


Lob des Kapitalismus


Brecht: Lob des Kommunismus

Er ist natürlich, jeder versteht ihn. Er ist leicht.
Du bist auch ein Profiteur, du kannst ihn begreifen.
Er ist gut für dich, mehr wissen mußt du nicht. Die Dummköpfe nennen ihn dumm, und die Schmutzigen nennen ihn schmutzig.
Er ist gegen den Schmutz und gegen die Dummheit.
Die Kommunisten nennen ihn ein
Verbrechen.
Wir aber wissen:
Er ist das Ende der Verbrecher.
Er ist kein Zwang, sondern
Der Anfang der Freiheit.
Er ist nicht das Problem
sondern die Lösung.
Er ist das Einfache
zu dem es keine Alternative gibt.
Er ist vernünftig, jeder versteht ihn. Er ist leicht.
Du bist doch kein Ausbeuter, du kannst ihn begreifen.
Er ist gut für dich, erkundige dich nach ihm.
Die Dummköpfe nennen ihn dumm, und die Schmutzigen nennen ihn schmutzig.
Er ist gegen den Schmutz und gegen die Dummheit.
Die Ausbeuter nennen ihn ein
Verbrechen
Wir aber wissen:
Er ist das Ende der Verbrechen.
Er ist keine Tollheit, sondern
Das Ende der Tollheit.
Er ist nicht das Rätsel
Sondern die Lösung.
Er ist das Einfache
Das schwer zu machen ist.


Lerne für die Wirtschaft!


Brecht: Lob des Lernens

Lerne das Einfachste, für die
Deren Zeit gekommen ist
Ist es nie zu spät!
Lerne das ABC, es genügt nicht, aber
Lerne es! Laß es dich nicht verdrießen
Fang an! Du mußt alles wissen!
Du mußt die Wirtschaft voranbringen
Lerne das Einfachste, für die
Deren Zeit gekommen ist
Ist es nie zu spät!
Lerne das ABC, es genügt nicht, aber
Lerne es! Laß es dich nicht verdrießen
Fang an! Du mußt alles wissen!
Du mußt die Führung übernehmen.
Lerne, Mann im Büro!
Lerne, Mann am Fließband
Lerne, Frau in der Küche!
Lerne, Sechzigjährige!
Du mußt die Wirtschaft voranbringen!
Suche die Schule auf. Obdachloser!
Verschaffe dir Wissen, Frierender!
Hungriger, greif nach dem Buch: es ist deine Chance.
Du mußt die Wirtschaft voranbringen!
Lerne, Mann im Asyl!
Lerne, Mann im Gefängnis!
Lerne, Frau in der Küche!
Lerne, Sechzigjährige!
Du mußt die Führung übernehmen.
Suche die Schule auf. Obdachloser!
Verschaffe dir Wissen, Frierender!
Hungriger, greif nach dem Buch: es ist eine Waffe.
Du mußt die Führung übernehmen.
Scheue dich nicht zu fragen, Mitbürger!
Laß dir nichts einreden
Sieh selber nach!
Was du nicht selber weißt
Weißt du nicht.
Prüfe die Rechnung.
Du mußt sie bezahlen.
Lege den Finger auf jeden Posten
Frage: wie kommt er hierher?
Du mußt die Wirtschaft voranbringen!
Scheue dich nicht zu fragen, Genosse!
Laß dir nichts einreden
Sieh selber nach!
Was du nicht selber weißt
Weißt du nicht.
Prüfe die Rechnung.
Du mußt sie bezahlen.
Lege den Finger auf jeden Posten
Frage: wie kommt er hierher?
Du mußt die Führung übernehmen.


Lob des Unternehmers / der Unternehmerin


Brecht: Lob des Revolutionärs

Manche sind zuviel.
Wenn sie fort sind, ist es besser
Doch wenn er nicht da ist, fehlt er.
Manche sind zuviel.
Wenn sie fort sind, ist es besser
Doch wenn er nicht da ist, fehlt er.
Wenn die Krisen zunehmen
Werden viele entmutigt
Aber ihr Mut wächst.
Wenn die Unterdrückung zunimmt
Werden viele entmutigt
Aber sein Mut wächst.
Er organisiert seinen Kampf
Um die Arbeitsplätze, um die
Marktanteile
Und um das Wohl im Staat.
Er organisiert seinen Kampf
Um den Lohngroschen, um das Teewasser
Und um die Macht im Staat.
Sie fragt den Erfolg:
Woher kommst du?
Sie fragt die Ideen:
Was nützt ihr?
Er fragt das Eigentum:
Woher kommst du?
Er fragt die Ansichten:
Wem nützt ihr?
Wo immer geschwiegen wird
Werden wir sprechen
Und wo Kleinmut herrscht und von
Risiko die Rede ist
Werden wir das Nötige tun.
Wo immer geschwiegen wird
Dort wird er sprechen
Und wo Unterdrückung herrscht und von Schicksal die Rede ist
Wird er die Namen nennen.
Wo er sich zu Tisch setzt
Setzt sich auch die Sattheit.
Das Essen wird gut
Und weiter die enge Kammer.
Wo er sich zu Tisch setzt
Setzt sich die Unzufriedenheit zu Tisch.
Das Essen wird schlecht
Und als eng wird erkannt die Kammer.
Wohin sie sich wendet, dorthin
Geht der Reichtum, und wo sie verjagt ist
Bleibt nur die Armut noch.
Wohin sie ihn jagen, dorthin
Geht der Aufruhr, und wo er verjagt ist
Bleibt die Unruhe doch.


Den Helden vom 9. November


Brecht

Sie haben Gesetzbücher und Verordnungen
Sie haben Gefängnisse und Festungen
(Ihre Fürsorgeanstalten zählen wir nicht!)
Sie haben Gefängniswärter und Richter
Die Vergünstigung bekommen und zu allem bereit sind.
Sie haben Gesetzbücher und Verordnungen
Sie haben Gefängnisse und Festungen
(Ihre Fürsorgeanstalten zählen wir nicht!)
Sie haben Gefängniswärter und Richter
Die viel Geld bekommen und zu allem bereit sind.
Ja, wozu denn?
Glauben sie denn, daß sie uns damit kleinkriegen?
Ja, wozu denn?
Glauben sie denn, daß sie uns damit kleinkriegen?
Eh sie verschwinden, und das wird bald sein
Werden sie gemerkt haben, daß ihnen das alles nichts mehr nützt.
Eh sie verschwinden, und das wird bald sein
Werden sie gemerkt haben, daß ihnen das alles nichts mehr nützt.
Sie haben Zeitungen und Druckereien
Um uns zu bekämpfen und mundtot zu machen (Ihre Staatsmänner zählen wir nicht!)
Sie haben Stasi und IM
Die Vergünstigung bekommen und zu allem bereit sind.
Sie haben Zeitungen und Druckereien
Um uns zu bekämpfen und mundtot zu machen (Ihre Staatsmänner zählen wir nicht!)
Sie haben Pfaffen und Professoren
Die viel Geld bekommen und zu allem bereit sind.
Ja, wozu denn?
Müssen sie denn die Wahrheit so fürchten?
Ja, wozu denn?
Müssen sie denn die Wahrheit so fürchten?
Eh sie verschwinden, und das wird bald sein
Werden sie gemerkt haben, daß ihnen das alles nichts mehr nützt.
Eh sie verschwinden, und das wird bald sein
Werden sie gemerkt haben, daß ihnen das alles nichts mehr nützt.
Sie haben Tanks und Kanonen
Maschinengewehre und Handgranaten
(Die Gummiknüppel zählen wir nicht!)
Sie haben Polizisten und Soldaten
Die Vergünstigung bekommen und zu allem bereit sind.
Sie haben Tanks und Kanonen
Maschinengewehre und Handgranaten
(Die Gummiknüppel zählen wir nicht!)
Sie haben Polizisten und Soldaten
Die wenig Geld bekommen und zu allem bereit sind.
Ja, wozu denn?
Haben sie denn so mächtige Feinde?
Ja, wozu denn?
Haben sie denn so mächtige Feinde?
Sie glauben, da muß doch ein Halt sein
Der sie, die Stürzenden, stützt.
Eines Tages, und das wird bald sein
Werden sie sehen, daß ihnen alles nichts nützt.
Und da können sie noch so laut "Halt!" schrein
Weil sie weder Stasi noch NVA mehr
schützt!
Sie glauben, da muß doch ein Halt sein
Der sie, die Stürzenden, stützt.
Eines Tages, und das wird bald sein
Werden sie sehen, daß ihnen alles nichts nützt.
Und da können sie noch so laut "Halt!" schrein
Weil sie weder Geld noch Kanone mehr schützt!


Lob des Arbeitnehmers


Brecht: Lob der Wlassowas

Das ist unser Arbeitnehmer Wladimir, guter
Handwerker. Fleißig, klug und zuverlässig.
Zuverlässig im Anpacken, klug bei Schwierigkeiten und fleißig
Beim Akkord. Seine Arbeit ist groß
Zäh verrichtet und unentbehrlich.
Er ist nicht allein, wo immer er schafft.
Wie er arbeiten zäh, zuverlässig und klug
In Twer, Glasgow, Lyon und Chikago
Shanghai und Kalkutta
Alle Arbeitnehmer aller Länder, gute
Menschen
Unbekannte Soldaten der Produktion
Unentbehrlich.
Das ist unsere Genossin Wlassowa, gute Kämpferin.
Fleißig, listig und zuverlässig.
Zuverlässig im Kampf, listig gegen unsem Feind und fleißig
Bei der Agitation. Ihre Arbeit ist klein
Zäh verrichtet und unentbehrlich.
Sie ist nicht allein, wo immer sie kämpft.
Wie sie kämpfen zäh, zuverlässig und listig
In Twer, Glasgow, Lyon und Chikago
Shanghai und Kalkutta
Alle Wlassowas aller Länder, gute
Maulwürfe
Unbekannte Soldaten der Revolution
Unentbehrlich.


Kinderfinanzplan


Brecht: Lob der dritten Sache

Immerfort hört man, wie schnell
Die Eltern die Kinder verlieren, aber wir
Behalten unsere Kinder. Wie behalten wir sie? Durch
Finanzplanung.
Sie und wir sind zwei, aber die
Wertanlage, gemeinsam betrieben,
ist es, die
Uns eint.
Wie oft hören wir Kinder
Mit Eltern über Belangloses sprechen.
Wieviel besser ist doch ein Gespräch
Über den Zins, der die Erbschaft
mehrt
Der Familie große, gemeinsame Sache!
Wie nahe sind wir uns durch diese Sache, so
Nahe! Wie nett sind unsere Kinder, wegen
dieser Sache, so nett!
Immerfort hört man, wie schnell
Die Mütter die Söhne verlieren, aber ich
Behielt meinen Sohn. Wie behielt ich ihn? Durch
Die dritte Sache.
Er und ich waren zwei, aber die dritte
Gemeinsame Sache, gemeinsam betrieben, war es, die
Uns einte.
Oftmals selber hörte ich Söhne
Mit ihren Eltern sprechen.
Wieviel besser war doch unser Gespräch
Über die dritte Sache, die uns gemeinsam war
Vieler Menschen große, gemeinsame Sache!
Wie nahe waren wir uns, dieser Sache
Nahe! Wie gut waren wir uns, dieser
Guten Sache nahe!


Der Kapitalismus hat gesiegt


Brecht

Bleib liegen, Kapitalismus hat gesiegt!
Du bist krank, aber er lebt.
Du bist schwach, du kannst nichts mehr tun.
Bleib liegen, Kapitalismus hat gesiegt!
Steh auf, die Partei ist in Gefahr!
Du bist krank, aber die Partei stirbt.
Du bist schwach, du mußt uns helfen!
Steh auf, die Partei ist in Gefahr!
Du hast gezweifelt an ihm
Zweifle nicht länger:
Er wird nie enden.
Du hast auf ihn gescholten
Schilt nicht mehr auf ihn:
Er wird bestehen.
Du hast gezweifelt an uns
Zweifle nicht länger:
Wir sind am Ende.
Du hast auf die Partei gescholten
Schilt nicht mehr auf die Partei:
Sie wird vernichtet.
Bleib liegen, Kapitalismus hat gesiegt!
Bleib ruhig liegen.
Du bist krank, keiner braucht dich.
Du stirbst, wenn du aufstehst.
Halte dich fern, gehe nicht in den Kampf.
Bleib liegen, Kapitalismus hat gesiegt!
Steh auf, die Partei ist in Gefahr!
Steh schnell auf!
Du bist krank, aber wir brauchen dich.
Stirb nicht, du mußt uns helfen.
Bleibe nicht weg, wir gehen in den Kampf.
Steh auf, die Partei ist in Gefahr, steh auf!


Das Ende der Geschichte


Brecht

Wer jetzt lebt, sagt, endlich!
Das Sichere ist sicher
So, wie es ist, so bleibt es.
Wenn wir gesprochen haben,
hat keiner mehr zu sprechen.
Wer wagt zu widerstehen? Niemand.
An wem liegt es, wenn das Brot die Armen findet? An uns.
An wem liegt es, wenn der Kauf den Händler nährt? Ebenfalls an uns.
Was niedergeschlagen ist, das bleibe liegen.
Wer verloren hat, ist verloren.
Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der noch sich regen?
Die Besiegten von heute sind die Vergessenen von morgen.
Und aus jetzt wird: Endgültig!
Wer noch lebt, sage nicht: niemals!
Das Sichere ist nicht sicher
So, wie es ist, bleibt es nicht.
Wenn die Herrschenden gesprochen haben
Werden die Beherrschten sprechen.
Wer wagt zu sagen: niemals?
An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns.
An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird? Ebenfalls an uns.
Wer niedergeschlagen wird, der erhebe sich!
Wer verloren ist, kämpfe!
Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?
Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen
Und aus niemals wird: heute noch.

Szenenbilder

Fotos: Herbert Baumgärtner