Plutos, der Geldgott

Premiere

Plutos, der Geldgott

von Aristophanes

29. April 2009
Kulturtheater Gloria Regensburg

 


Besetzung

Plutos Rolf Muszeika
Chremylos Werner Rösch
Karion Kai Hochleitner
Blepsidemos Bernhard Zellner
Penia Myroslava Ivanjak
Chremyla Gerlinde Munoz
Praxagora Pia Röder
Schundinger Willm Schmülling
von und zu Taugtnix Martina Fischer
Pressos Rudi Preis
Brüller Martin Preis
Harlekin Kati Brunner
Arbeiterchor Christian A Vogl, Christoph Kukofka, Daniel Zimpel, Elfriede Brehm, Erwin Schmid, Sarah Kubowitsch, Sergej Czepurny, Ute Schmidt, Vlado Djermanovic
Drums Franz Huber
Baß Uli Pollmann
Keyboard Willm Schmülling
Gitarre, Regie Kurt Raster

Presseinfo

Plutos, der Geldgott

Vom ollen Griechenschlingel Aristophanes

Schon vor 2500 Jahren wußte der Komödiendichter Aristophanes: Der Reichtum ist nicht zuhause bei den Redlichen. Und er verkleidete diese Einsicht in einen vergnüglichen Schwank, in dem der blinde Geldgott Plutos zum Sehenden gemacht wird, was die Verhältnisse vom Kopf auf die Füße stellt: Die Armen werden reich und die Reichen werden unter viel Gelächter, Tschumdarassa und Musik zurechtgestutzt. Dabei ist Aristophanes von erstaunlicher Aktualität: "Hat einer vierzig Talente im Sack, so wünscht er sich um so toller fünfzig. Und hat er diese Summe voll, lenkt er auf hunderttausend sein Begehren. Sonst, so spricht er, sei das Leben nicht des Lebens wert!" Wer denkt hier nicht an Heuschrecken und skrupellose Finanzspekulanten? Aristophanes hat’s echt drauf!


Kritik

Mittelbayerische Zeitung, 4. Mai 2009

Ackermann in der Antike

Begeisterung im Gloria: Die griechische Komödie „Plutos“ in der Regie von Kurt Raster. Von Florian Sendtner

Regensburg. Der Ehrliche ist der Dumme! – Weder Uli Wickert noch seine Leser ahnten wohl, dass diese Klage Teil einer antiken Komödie ist. Es ist der Part des Chremylos in der 388 vor Christus uraufgeführten Komödie „Plutos“ von Aristophanes. Chremylos befragt das Orakel von Delphi, ob sein Sohn nicht doch lieber umsatteln sollte, nämlich auf Ganove, wo doch „stets der Taugenichts das beste Pferd zu reiten pflegt“. Der Gott (es ist nicht irgendein Gaunergott, sondern Apollon) bescheidet Chremylos damit, er solle mit dem ersten Menschen, der ihm draußen über den Weg laufe, mitgehen. Das ist ein blinder Alter – der sich indes als Plutos entpuppt, als der Gott des Reichtums. Ursprünglich kamer nur zu denen, die es verdienten, doch dann wurde er von Zeus geblendet...

Der Gott des Reichtums sieht wieder

Was tun? Chremylos schleppt Plutos ins Heiligtum des Asklepios, dessen Schlangen lecken Plutos’ blinde Augen, der Gott des Reichtums kann wieder sehen, und ab sofort wird alles anders: Plutos lässt sich nicht mehr von jedem dahergelaufenen Lumpen überreden, mitzukommen, er sieht sich die Leute zuerst an, bevor er ihr Haus betritt. Die ungerechte Verteilung der Güter hat ein Ende, eine neue Zeit bricht an. – Wer gemeint hätte, die aktuelle Diskussion um soziale Gerechtigkeit, Mindestlohn und bedingungsloses Grundeinkommen sei eine Erfindung der Linken des 21. oder zumindest des 20. Jahrhunderts, wurde in Kurt Rasters amüsant-gekonnter Inszenierung von Aristophanes’ „Plutos“ um 2400 Jahre zurückkatapultiert: Nichts Neues unter der Sonne.

Die heftigste Gegnerin der Blindenheilung ist eine Dame im schicken schwarzen Kostüm und mit Zigarettenspitze, die tausend gute Gründe dagegen anzuführen weiß: Wer würde denn dann noch arbeiten, wenn alle genug Kohle hätten? Was hält die Welt am Laufen, wenn nicht der tägliche Zwang, den Lebensunterhalt aufzubringen? – Man meint, Guido Westerwelle zu hören, doch die Dame nennt sich Penia, das ist die Armut.

Alle fühlen sich sauwohl

Gemeinschaftlich wird sie niedergerungen – und das ist jetzt nicht mehr Aristophanes, sondern Kurt Raster. Bei Aristophanes wird Penia allein durch die verbalen Attacken des Chremylos in die Flucht geschlagen, und natürlich intoniert der Chor hinterher auch nicht, von einer veritablen Band angeführt, „Vorwärts, und nicht vergessen“. Die von der ganzen Theaterkompanie im Gloria mit Lust und Unbefangenheit ausgelebte Agitprop-Leidenschaft (die auch die lokalen Großkopferten genüsslich miteinbezieht), wurde gottseidank immer wieder von einem charmanten Schalk in Latzhose konterkariert, der die hochfliegenden Bühnenphantasien mit Spott und Ironie auf den Teppich zurückholte. Ohne Aristophanes gelesen zu haben, meinte Hegel, lässt sich kaum wissen, wie dem Menschen sauwohl sein kann. Sauwohl fühlten sich in dieser „Plutos“-Inszenierung sichtlich alle, sowohl die 25-köpfige Schauspielertruppe als auch das Publikum. Vorwärts, und nicht vergessen: immer dem Affen schön Zucker geben!


Dokumentation

Harlekintexte

Die Griechen hatten die Angewohnheit, zwischen ihre Szenen direkte Ansprachen ans Publikum zu setzen, sogenannte Parabasen. Da diese für den Plutos leider nicht überliefert sind, haben wir uns erlaubt, selbige nachzudichten, allerdings so, wie sie Aristophanes heute geschrieben hätte :-).

 

1. Parabase: Klassenkampf

HARLEKIN: "Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen." Stimmt das oder stimmt das? Es stimmt sicher, weil's nämlich schwarz auf weiß, seit dem Jahr 388, wie sagt man? vor unserer Zeitrechnung, vor der Geburt des Erlösers, der sich nicht mal selbst erlösen konnte, padauz, padauz.

Wie auch immer, vor knäpplich 2500 Jährchen also, zu dunnemal der grogrogroßen attischen Volksherrschaft, dem viel bestaunten, allermerkwürdigsten, allergeschmähtesten, allerlausigsten und doch allerallererstesten Demokratie auf unserem grogrogroßen Globusrund, damals also erdenkte Aristophanes, der olle Griechenschlingel, sein Komödchen "Plutos".

Es ist eine höchst profunde und gar fein gedrechselte und überhaupt nicht teure Revolutionsgebrauchsanweisung, ein herzensschönes Schelmchenstück über den lustigen Streich der Enteignung der Enteigner, ein in Verse gepackter Traum von einer gerechten Teilung der Welt. Ach und schnüff: Nach 2500 Jahren träumen wir noch immer, ach und schnüff...

Wir beginnen mit dem Anfang: Erste Revolutionsregel: Die Voraussetzung aller Kritik ist die Kritik an... Zeus!

 

2. Parabase: Kopf und Füß

HARLEKIN: Oi oi oi oi oi, da braut sich was zusammen, da werden die Verhältnisse ja vom Kopf auf die Füß' gestellt. Nicht der Zeus ist der Papa aller Dinge, sondern Geldgott Plutos! Schau, schau. Das wenn sich herumspricht! Oh Gott, oh Gott, oh Zeus, oh Zeus! Da wird ja aus dem guten alten Idealismus der reinste Materialismus! Der Papst muß her und exkommunizieren! Wenn nicht alles von Gott herkommt, ja, woher denn dann?

Das ist die Frage, die die Herrschenden meiden, wie die Heiligen die Wissenschaft. Denn Gott Plutos, das haben die Gescheiten unter euch bestimmt schon erraten, und den Dummen sag ich's jetzt, ist gar nicht so göttlich, sondern alleallegorisch. Plutos ist der blinde Arbeitsmann und die blinde Arbeitsfrau, die kleinen Leut, die denen da oben die Butter aufs Baguette schmieren und selber das Brötchen trocken fressen, wenn sie denn eines haben. Wenn die sehend werden und ihre Lage erkennen, wie sollen die aufzuhalten sein? Ui, da kommen sie schon. Noch schnell die zweite Revolutionsregel eingepackt: Nicht erst Fahrkarten lösen, die Revolution machen!

 

3. Parabase: Mehrwert

HARLEKIN: Trara! Warum glauben die sangeskundigen Brüder und Schwestern, es wäre ihre letzte Schlacht? Hmm... Gibt es dafür eine wissenschaftliche Erklärung? Eine mit Doktorhut? Nein, weil das geht auch ohne Diplom: Wer macht die Arbeit? Und wer steckt das Geld ein? Genau. Wenn aber jetzt die das Geld einstecken, die arbeiten? Genau.

Keiner steckt mehr das Mehrgeld ein. Das Mehrgeld ist nämlich das ganz ganz Böse. Wenn einer Mehrgeld hat, hat er auch mehr Macht als die anderen und wenn er mehr Macht hat, kann er mehr Mehrgeld rausschinden und das mehr Mehrgeld gibt ihm immer mehr Mehrmacht und mehr und mehr mehrt sich sein Mehrgeldreichtum, bis keiner sich mehr auskennt, und es fast nur mehr Arme gibt und ein paar ganz wenige mehr! mehr! mehr! Mehr! mehr! Mehrgeldreiche.

Das ist die Geschichte vom Mehrwert. Aber wenn's den einmal nicht mehr gibt, gibt's radibux auf einmal kein Oben und kein Unten mehr, und wo es kein Oben und kein Unten gibt, gibt's radibix auf einmal auch keinen Grund mehr zu streiten.

Daher die dritte Revolutionsregel: Haut den Dieben auf die Finger!

 

4. Parabase: Die Reaktion

HARLEKIN: Oh weh! Schon kommt die Reaktion. Wisset, alle Revolution ist unblutig. Das Blut macht allein die Reaktion. Die Leute gehen demonstrierend auf der Straßenmitte und singen und lachen und rufen laut die Parolen von Vernunft und von Liebe und von Gerechtigkeit: Nieder mit dem Krieg! Ein Ende der Ausbeutung! Würde und Leben und Sonne für alle!

Von den Dächern aber schießt die Gewalt. Aus den Kasernen aber quilt die Gewalt. Die Polizisten aber stellen sich mit Schlagstock und Helm und Wehr in den Weg. Und der Geheimdienst vermerkt jeden frech erhobenen Kopf. Die Reaktion ist die Gewalt!

Und wenn das Gemetzel zu Ende, wenn die Gefängnisse voll und die Ruhe nach Tränen schmeckt, werden sie sagen: Nicht wir waren es, es waren jene, weil sie auf der Straßenmitte liefen!

Darum merke, wer die Revolution beginnt: Nie darfst du die Revolution verlieren!

 

5. Parabase: Solidarität

HARLEKIN: Der haben wir es gegeben. Haha, Ratatazong Peng Peng, Kawumm! Ja, wo sich so viele viele einig sind, da hat der Kaiser seinen Rock vergeigt. Hurra! Hurra! Hurra! Alle Mächte stehn fein still, wenn dein starker Arm es will! Hurra! Hurra! Hurra! Mann der Arbeit aufgewacht, und erkenne deine Kraft! Hurra! Hurra! Hurra! Zwiebelkopf und Birnenarsch, hört auf zu streiten, macht vorwärts, marsch! Hurra! Hurra! Hurra! Die Solidarität! So leicht und doch so schwer...

Man muß begreifen und richtig richtig kapieren, daß der andere, der aus meiner Klasse, der von seiner Hände Arbeit lebt und nicht vom Kapital, mein Kumpel ist. Man muß begreifen und ganz ganz genau kapieren, daß es mit vielen so leicht ist, so ohne Gefahr! Ein kurzes Schütteln und schwupps, alle Sorgen sind fern. Aber mit wenigen der sichere Tod.

So heißt der Revolutionsregeln fünfte: Wenn es um deine Zukunft geht, schau nicht zu!

Doch jetzt gilt es, Hurra! Hurra! Hurra! Das Feuer ist endlich entzündet! Da, der Mantel der Geschichte weht vorüber! Und ein kleiner kleiner Spalt öffnet sich, ein klitzekleiner Durchschlupf, alle hundert Jahre nur einmal und nur für ein kurzes kurzes Augenblickchen. Wird es gelingen? Wird es vollbracht? Die Welt hält den Atem an! Und wir auch! Pause!

 

6. Parabase: Die Revolution nimmt ihren Lauf

HARLEKIN: (mit Trommel) Weiter geht's! Hineinspaziert. Jetzt wird revolutioniert! (Wirbel) Auf, auf Leute! Die Revolution nimmt ihren Lauf, die hält auch kein Ochs und Esel auf. (Wirbel) Genug geschwafelt! Genug beraten! Was wir brauchen sind jetzt Taten!

 

7. Parabase: Der Tanz der Revolution

HARLEKIN: Riecht ihr es auch? Schnuppert mal! Ja, so riecht das Glück! Und da kann es stinken wie hier! Wo das Glück sich einstellt wird aller Gestank sympathisch. Gell!? Und es ist nicht nur die Luft, auch der Tag wird heller. Wo man früher nur Wolken sah, weiß man jetzt, die Sonne wartet schon dahinter. Und wo man Tag für Tag Mühsaal und Sorgen nur fand, erkennt man nun, oh Glück, Aufgaben und Lust. Kurz: Nichts ist zu vergleichen mit dem ersten Tag der Revolution!

Alles Große wird klein und alles Kleine bleibt klein nicht. Alles HaHaHerrliche angestrahlte verblaßt, weil die Nacht wird zum Tag. Ach, wir küssen und herzen, nun ist jeder ein Freund. Es gibt nichts, was uns einengt, es gibt nichts, was uns zwingt. Die Welt ist unser Garten, von keiner Angst begrenzt.

Doch die eisernste und strengste aller aller Regeln lautet, die härteste, die schweißtreibenste, die brutalste: Jede Revolutionärin und jeder echte Revolutionär vertanze den Tag der Revolution!

 

8. Parabase: Der revolutionäre Prozeß

HARLEKIN: Die Revolution ist das eine, das andere, das viel viel Schwierigere ist es aber, die Revolution mit Revolution zu füllen. Weil, es gibt sie ja noch nicht, die neue Welt. Jeder Schritt muß Schrittchen für Schrittchen erst erfunden werden. Und da muß man gut aufpassen, damit man wirklich was Neues hinkriegt und nicht die alten blöden Fehler der anderen nachmacht, weil man nur die kennt.

Und damit ja nix schiefläuft, lautet die allerbeste aller Revolutionsregeln: Erst mal quasseln! Ja, eine Revolution ist eine richtige Quasselbude! Alles muß ganz ganz genau beratschlagt werden, und zwar von allen miteinander. Denn wenn wir nicht allen miteinander ganz genau zuhören, dann wissen wir ja nicht, was alle miteinander wollen. Und es werden gute Gespräche sein, denn es spricht ja nicht mehr der die ganze Zeit, der was hat, sondern der, der was wissen tut.

Und wenn wir dann alle gehört haben, was alle miteinander wollen, dann schreiben wir das alle miteinander auf. Und das werden gute Regeln sein, weil es ja das ist, was alle miteinander wollen. Und wenn doch was nicht paßt, dann wird wieder palavert. Die Revolution hat Zeit. Gute Regeln halten ewig, schlechte nie.

Jetzt kommt aber gleich Praxagora. Praxagora ist eigentlich aus einem anderen Stück. Aristophanes hat nämlich ganz locker und cool noch ein zweites Revolutionskomödchen geschrieben, die Frauenherrschaft heißt es, und daraus ist die nächste Szene. Die flicken wir hier ein, weil sie uns die Revolution bei der Arbeit beschreibt. Gut aufpassen!

 

9. Parabase: Kopfstand

HARLEKIN: Wir haben nichts zu verlieren als unsere Ketten und eine Welt zu gewinnen. Wir können alles, wenn wir nur wollen. Wir können aber auch die nächsten 2500 Jahre im Theater zusehen, wie man eine Welt gewinnt. Wir müssen gar nichts tun, es ist ja unser Leben. Wir können auch genausogut einen Kopfstand machen. Soll ich einen Kopfstand machen. Sollen wir alle einen Kopfstand machen? Ja? Auf drei: Eins, zwei, drei!


Video

 

Szenenbilder

Fotos: Herbert Baumgärtner