Brecht abgewickelt

Premiere

Brecht abgewickelt

Sketch und Lied

11.11.2006
Gewerkschaftshaus Regensburg

 


Besetzung

Brecht Christian A Vogl
Journalistin Barbara Schmid
Text, Regie Kurt Raster

Info

Der Sketch "Brecht abgewickelt" wurde von der DKP Regensburg zur Umrahmung eines Vortrags des Literaturwissenschaftlers Thomas Metscher über "Brecht und der Marxismus" angefragt.


Text

Brecht abgewickelt

JOURNALISTIN: Herr Plommberg, darf ich Ihnen zuerst zu Ihrem riesigen Erfolg gratulieren, zu Ihrer phänomenalen Regie? Wie fühlen Sie sich? Haben Sie den Jubel erwartet? Haben Sie damit gerechnet, daß Ihnen die Nation zu Füßen liegen wird, nach dieser Jahrhundert, ach was sag ich, Jahrtausendaufführung. Es muß ein Wahnsinn für Sie sein!

PLOMMBERG: Nun, nun, danke, danke. Ob es ein Jahrtausendereignis war, wird man wohl erst objektiv in tausend Jahren sagen können.

JOURNALISTIN: Ach, sie sind so bescheiden! Aber die Presse überhäuft Sie mit Lobeshymnen. Sie haben den Deutschen Berthold Brecht geschenkt, den verkannten Berthold Brecht. Ihre Inszenierung der Mutter sei fürs Theater wie Beethovens Neunte für die Musik, ein ewiges Kulturgut der deutschen Nation, schreibt die FAZ. Wie kamen Sie nur auf die grandiose Idee die Mutter Pelagea mit Angela Merkel zu besetzen?

PLOMMBERG: Das war eigentlich Zufall. Frau Merkels Publicity-Berater rief mich an, und fragte mich, ob ich nicht eine kleine Nebenrolle für die Merkel hätte, in einem sozialen Stück. Ihre Umfragewerte bedürften der Pflege. Sofort hatte ich die Vision, Merkel die Mutter spielen zu lassen.

JOURNALISTIN: Und Ex-Kanzler Gerhard Schröder als ihren Sohn Pawel zu gewinnen, das war sicher sehr schwierig?

PLOMMBERG: Weniger als man glauben möchte. Sehn Sie, unser Haupt-Sponsor ist die Deutsche Bank. Herrn Schröders Gagenvorstellungen konnten also ohne Probleme erfüllt werden. Außerdem hat Schröder die Aussicht gefallen, endlich einen richtigen Revolutionär spielen zu dürfen. Das war gut für sein Selbstbewußtsein.

Bischof MüllerJOURNALISTIN: Wahnsinn. Aber einen echten Bischof zu überreden, auf einem weißen Elefanten über die Bühne zu reiten, das war sicher keine leichte Sache.

PLOMMBERG: Im Gegenteil. Die Aufführung fand ja auf der ehemaligen Papstwiese in Regensburg statt, gleich unterm Papstkreuz. Ich sag Ihnen, der örtlichen Bischof Müller hätte, um mitmachen zu dürfen, auf der Bühne sogar einen Männerstrip hingelegt!

JOURNALISTIN: Jetzt übertreiben Sie aber ein bisserl!

PLOMMBERG: Ach, was denken Sie. Jeder wollte mitmachen. Es war wie eine Welle. Gloria von Turn und Taxis rannte mir die Bude ein. Gewerkschaftsboss Sommer, die Feministin Alice Schwarzer, Porschechef Wiedeking, Arbeitgeberpräsident Hundt, Joschka Fischer, Harald Schmidt, und und und... Alle wollten sie dabeisein, bei der Neuentdeckung Brechts.

JOURNALISTIN: Aber es gehörte zu Ihrem Konzept, daß auch kleinere Leute mitmachen durften.

PLOMMBERG: Ja, ein Streikbrecher wurden zum Beispiel von dem örtlichen SPD-Chef Wolbergs gespielt. Der fühlte sich in dieser Rolle pudelwohl.

JOURNALISTIN: Das kann ich mir denken. Aber warum bekam Bürgermeister Schaidinger eine Frauenrolle?

PLOMMBERG: V-Effekt, Verfremdungseffekt für die theaterferneren Zuschauer hier im Saal. Sein kräftiger Oberlippenbart soll irritieren, was er auch tat. Ha Ha Ha!

JOURNALISTIN: Die Domspatzen als Arbeiterchor, war das auch ein V-Effekt?

PLOMMBERG: Nö, das war Erpressung!

JOURNALISTIN: Erpressung?

PLOMMBERG: Die Spatzen sagten, wenn sie nicht mitmachen dürfen, weinen sie's dem Papst. Na, da wollte ich mal nicht so sein. Ha Ha Ha!

JOURNALISTIN: Wahnsinn! Die Mutter wurde von allen Sendern simultan übertragen. Man schätzt, daß nicht einmal das Endspiel der Fußball-WM mehr Menschen sahen.

PLOMMBERG: Ja, Brecht ist endgültig im Schoß unserer Gesellschaft angekommen. Brecht ist der Superstar unseres Jahrtausends, neben Beethoven, Wagner, Günther Grass, Mozart, Dieter Bohlen. Er ist der Shakespeare des 21. Jahrhunderts.

JOURNALISTIN: Wahnsinn! Was verbindet Sie persönlich eigentlich mit Brecht? Um solch ein gigantisches Werk auf die Bühne zu bringen, muß die Beziehung einzigartig sein...

PLOMMBERG: Ja, das ist sie. Sehen sie, schon als Jugendlicher war ich von Brecht fasziniert. Seine schicke Brille, die übrigens aus Titan und furchtbar teuer war, sein modisches Outfit. Hier war er Trendsetter. Alles war stinkteur und vom Feinsten und trotzdem wirkte seine Kleidung arbeiternah. Raffiniert! Viele Unternehmen haben später seine Strategie übernommen, haben Che-Guevara-T-Shirts gedruckt, griffen die revolutionären Träumereien der Unterschicht auf und gestalteten diese produktiv in Gewinn um. Und natürlich hat mich Brechts Wirkung auf Frauen fasziniert.

JOURNALISTIN: Und natürlich hat ihn Brechts Wirkung auf Frauen fasziniert.

PLOMMBERG: Übrigens habe ich über diesen Weg Brecht endgültig verstanden.

JOURNALISTIN: Über diesen Weg hat er Brecht endgültig verstanden.

PLOMMBERG: Nichts wirkt so sexy, wie heroisches Revoluzzertum.

JOURNALISTIN: Nichts wirkt so sexy, wie heroisches Revoluzzertum.

PLOMMBERG: Damit hat er jede Frau geknackt.

JOURNALISTIN: Damit hat er jede Frau geknackt. (beide setzen sich)

PLOMMBERG: Dichtung und Revolution, da kann keine Frau widerstehen...

JOURNALISTIN: Wahnsinn!

PLOMMBERG: Ja, seitdem war für mich klar: dieser Autor und sonst keiner.

JOURNALISTIN: Und "Die Mutter"?

PLOMMBERG: Brechts Mutter ist wohl sein Meisterstück. Keines sagt auf den ersten Blick so Eindeutiges aus und ist doch mit so vielen doppelten Böden versehen. Nehmen Sie das "Lob des Kommunismus". Was gibt es da zu deuteln? Scheinbar mochte Brecht den Kapitalismus wirklich nicht.

JOURNALISTIN: Und wie sind Sie auf seine wirkliche Aussage gestoßen?

PLOMMBERG: Brecht hat selbst den Weg gewiesen. In den Rundköpfen und Spitzköpfen läßt er den beinahe gleichen Text von einer Dame von Adel und anschließend von einer Prostituierten sprechen, und siehe da, der Inhalt verkehrt sich in sein Gegenteil! Das ist der Schlüssel! So muß man Brecht lesen. Das "Lob des Kommunismus" von Frau Merkel vorgetragen bringt die Wahrheit ans Licht, die da heißt, der Kapitalismus ist zu loben!

JOURNALISTIN: Genial!

PLOMMBERG: Brechts Mutter ist die herrlichste Komödie. Was haben wir gelacht. Nehmen sie den Satz: "Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?" Oder: "Er (der Kommunismus) ist das Einfache, das schwer zu machen ist." Und mein Lieblingssatz: "Die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen" Ja, das war schön...

JOURNALISTIN: War es nicht schwierig, die vielen verschiedenen Köpfe unter einen Hut zu bringen?

PLOMMBERG: Gewiß, gewiß. Aber auch lustig! Ursula von der Leyen wollte eines Abends bei den Proben unbedingt über Politik reden und schwafelte was von demographischer Entwicklung. Doch Schröder ist ihr übers Maul gefahren: Wenn sie nicht sofort still sei, werde er Frau Schavan auf offener Bühne so oft schwängern, bis die mit der Leyen gleichgezogen hat! Bei der Aussicht auf Schröder-Schavan-Zombies hat's der Leyen glatt die Sprache verschlagen.

JOURNALISTIN: Dieser Macho! Dabei kann er doch gar nicht mehr! Die Merkel und der Schröder, haben die sich vertragen?

PLOMMBERG: Merkel und Schröder waren ein Herz und eine Seele. Bis in die Morgenstunden haben sich gegenseitig Brechts Texte vorgelesen und die Bäuche gehalten. Die waren wie kleine Kinder, die endlich ihr Traumspiellzeug bekommen haben. Diese Zweisamkeit wird uns allen unvergessen bleiben und hat die ganze Gruppe geprägt.

JOURNALISTIN: Und die harmonische, lockere Grundstimmung hat sich auch auf die Bühnendarstellung übertragen.

PLOMMBERG: Ja, natürlich. Es hat wohl nie ein ausgelasseneres Schauspiel gegeben, als diese Mutter-Aufführung. Es war phänomenal. Übrigens hat die Inszenierung schon viele Nachahmer gefunden. Präsident Bush hat eine Aufführung in Auftrag gegeben, natürlich mit seiner Außenministerin in der Hauptrolle und die ganze Führungsriege spielt mit. Der Aufführungsort soll Venezuela sein. Die Invasion wird gerade vorbereitet.

JOURNALISTIN: Brechts Mutter ist die Mutter eines neuen Zeitalters!

PLOMMBERG: Oh, das haben Sie jetzt aber sehr schön gesagt. Brechts Mutter ist sozusagen die neue Nationalhymne aller fortschrittlichen Länder der Welt geworden. Brecht hat die Welt mit seiner Kunst vereint. Dies macht ihn unsterblich.

JOURNALISTIN: Und Sie haben diesen Brecht entdeckt. Sie ganz allein! Wahnsinn!

PLOMMBERG: Ja... Kennen Sie eigentlich Brechts Liebesgedichte?

JOURNALISTIN: Nun ein paar habe ich Studium gelesen...

PLOMMBERG: Aber sicher nur die braven, romantischen. Brecht hat aber auch Pornografie geschrieben, wußten Sie das?

JOURNALISTIN: Nein, eigentlich...

PLOMMBERG: Soll ich sie Ihnen vorlesen?

JOURNALISTIN: Wenn Sie wollen...

PLOMMBERG: Ich will!


Lied

Lob des Kapitalismus

Er ist natürlich, jeder versteht ihn. Er ist leicht.
Du bist auch ein Ausbeuter, du kannst ihn begreifen.
Er ist gut für dich, mehr wissen mußt du nicht.
Die Schwachen nennen ihn dumm, und die Kleinen nennen ihn schmutzig.
Er ist gegen das Schwache und gegen das Kleine.
Die Verlierer nennen ihn ein Verbrechen.
Aber wir wissen:
Er ist das Ende der Langeweile.
Er ist eine Tollheit.
Er ist echt das Chaos
und schon in Ordnung.
Er ist das Einfache
Das eh nicht anders zu machen ist.


Video

 

Szenenbilder