Premiere
Der hässliche Deutsche
Ziemlich genau nach "Der Geizige" von Molière
21. Mai 2016
Elly Maldaque Theater
an der Uni Regensburg
Besetzung
Der Krieg | Alice Somolíková |
Die Nichtregierungsorganisation NGO | Doris Winklhöfer |
Das Menschenrecht | Verena Schreiber |
Das Gute Leben | Marlene Neuland |
Der Verfassungsschutz | Lea Dürr |
Der hässliche reiche Deutsche | Felix Reinelt |
Der Schutz, Schminke, Plakat | Eva Vavrinova |
Die Flucht | Anna Wimmer |
Die Revolution | Florian Heimbuchner |
Der hässliche arme Deutsche | Loretta Lindl |
Troika | Fabian Oesterle |
Textbearbeitung, Bühne, Regie | Kurt Raster |
Presseinfo
Der hässliche Deutsche – ziemlich genau nach "Der Geizige" von Molière
ueTheater Regensburg spielt das zeitlose Stück in neuem Gewand
Ohne Geizige gäbe es keinen Reichtum. Oder ist es umgekehrt? Ohne Reichtum gäbe es keine Geizhälse? Wahrscheinlich stimmt letzteres, denn zuerst muss ja etwas vorhanden sein, damit der Geizige es horten kann.
Und schon sind wir bei der nächsten Erkenntnis: Wo sehr viel vorhanden ist, muss es logischerweise auch sehr viele Geizhälse geben. In Deutschland gibt es sehr viel, daher ist der Geiz hier weit verbreitet.
Seltsamerweise, wie Molière es unvergleichlich klug beschreibt, sind gerade die Reichsten und Geizigsten vom ständigen Wahn besessen, kurz vor dem Hungertod zu stehen. Streckt ihnen gar ein Armer flehend die Hand entgegen, sehen sie ihren und selbstredend damit auch den Untergang des Vaterlandes gekommen.
Deutschland wird zur Zeit ein kleines bisschen konfrontiert mit den Früchten seiner Waffenexporte. Schutzsuchende vor den Verkaufsschlagern von Heckler < Koch, der tödlichsten Firma Europas, kommen nach Deutschland und bitten um Unterschlupf und Almosen. Der deutsche Geizhals schreit Zeter und Mordio und fordert Sicherheit vor den Sicherheit suchenden Menschen. Armee und Natozaun sollen es richten.
Wird wenigstens der Geizige im Stück des ueTheaters erkennen, dass er der Anfang aller Übel ist?
Kritik
Mittelbayerische Zeitung, 23.05.2016
Starke Polit-Botschaft, beherzt umgesetzt
Voller Feuer und hochaktuell: „Der hässliche Deutsche“ am Uni-Theater. Von Veronika Lintner
REGENSBURG. Ein Sinnbild bäumt sich im Theater der Uni auf. Eine dreistufige Wohlstandspyramide nimmt die ganze Bühne ein. Und oben, auf höchster und zugleich kleinster Stufe, da steht der reiche, hässlicheDeutsche. Er zetert, dass es eine Freude ist: „Menschenrechte? Pah, davon kann ich mir nichts kaufen.“
Das Stereotyp des grimmigen, geizenden Teutonen ist Dreh- und Angelpunkt des Stücks „Der hässliche Deutsche“. Die Satire hat der Regensburger Theatermann Kurt Raster mit dem ueTheater erarbeitet. Das Ensemble versteht sich seit fast 15 Jahren als eine „dezidiert gesellschaftskritische Theatergruppe an der Universität Regensburg“. Starke politische Botschaften prägen das Programm. Als Vorlage für die neue Inszenierung dient Molières Komödie „Der Geizige“. Die Urhandlung aus dem Jahr 1668: Ein verdrießlicher Geizhalswill seine Kinder an profitable Partner verheiraten und selbst eine gute Partie für sich finden. In der spitzfindigenAdaption des ueTheaters umrahmt das Passepartout der Handlung aber ganz andere Akteure. Allegorien wandern über die Bühne. Der geizige Deutsche ist hier der Rabenvater eines Sohns namens Menschenrecht und einer verängstigten Tochter, der Flucht. Sohn und Vater buhlen umdie Figur des Guten Lebens, während sich die Flucht nach ihrem Geliebten, dem Schutz, sehnt. Und dieser Schutz fühlt sich zerrissen zwischen demEgoismus des hässlichen Deutschen und dem Flehen der Flucht.
Was nach einer komplexen Gleichung klingt, geht in der Inszenierung beachtlich gut auf. Der Text des Originals musste nur in wenigen Punkten variiert werden, um ihm politisches Feuer und Aktualität zu verleihen. Auch Kostüm undKulisse sprechen eine schlichte, aber klare Sprache.
Schnell wird klar: hier wird ausgeholt zum weiten Rundumschlag, vom Flüchtlingsthema bis zur Griechenlandmisere. Text- und Bildprojektionen rund um die Pyramide ziehen Bezüge zu den polarisierenden Figuren des heutigen Polittheaters. Das reicht von Horst Seehofer bis zu Hans Werner Sinn, vom Klerus bis zum DGB. Und natürlich dürfen prominente Gesichter von AFD und Pegida nicht fehlen. Die Projektionen fällen deutliche Urteile. Oder sie lassen Originalzitate für sich sprechen. Wenn Gloria von Thurn und Taxis verlauten lässt: „Diese Völkerwanderung, die hier auf uns zuströmt, ist schon eine Art Krieg“, dann entfalten die Worte auch unkommentiert ihre Wirkung.
Die studentischen Schauspieler zeigen eine beherzte Leistung. Allen voran Felix Reinelt als der reiche, hässliche Deutsche. Dem Zorn des Verzagten gibt er sich mit Leidenschaft und Spielfreude hin.
Nicht zuletzt lebt das Stück auch vom künstlerischen Anspruch, die Transformation des Originals behutsam, textnah und lebendig zu vollziehen. Das Premieren-Publikum honorierte die Leistung am Samstag mit herzlichem Applaus. Und so behauptet sich das ueTheater auch mit diesem Werk als lebendiges Element der Theaterlandschaft an der Uni.
Video
Szenenbilder
Fotos: Herbert Baumgärtner, Joachim Lösel