Nach uns die Sintflut

Premiere

Nach uns die Sintflut

Dystopischer Science Fiction mit Happy End

14. Februar 2020
Vereinsgaststätte Sport-Club Regensburg

 


Besetzung

Der Führer Laura Ferstl
Uwe Adrian Algasinger
von Wichthausen Anton Weber
Dr. Wanger Emil Würfl
Martin Matthias Kürzinger
Gärtnerin Maria Pylypenko
Brückenwache, Prepper Lea Berg
Politik Daje Weber-Trebesch
Professionell Leugnende Mira Michel
Unterdrückungsapparate Paula Pietsch
Wirtschaft Lukas Bäuml
10 % Reichste Marlene Neuland
Kinder der Welt Michelle Weiß
Nichtindustrieländer Florian Siegmar
Vertriebene der Erde Mounika Girigowdara Girish
Moderation Thigis Kirushnathasan
Plakat und Bühnenbilder Caro Schöttl
Text, Bühne, Regie Kurt Raster

Presseinfo

"Nach uns die Sintflut"

Die studentische Theatergruppe „ueTheater in Verbannung“ (*) bringt den Nürnberger Klimaverbrecherprozess auf die Bühne nebst Nazi-Terror-Gruppe.

Alle wissen es: Die Welt geht unter. Genauer: Nicht die Welt, sondern die Menschheit. Noch genauer: Nicht die Menschheit, sondern Menschen, sehr viele von uns Menschen. Und mit uns wird die Zivilisation untergehen. Genauer: Die Zivilisation, wie wir sie kennen. Kaum vorstellbar, dass es nach der Überschwemmung sämtlicher Küstenstädte und Abermillionen von Toten noch SUVs und Kreuzfahrtschiffe geben wird, Investmentbanking oder Monsanto, Helene Fischer, rosa Überraschungseier oder die repräsentative Demokratie.

Hier fängt das neue Stück der studentischen Theatergruppe „ueTheater in Verbannung“ (*) an. Wir schreiben das Jahr 2030. Sämtliche Kipppunkte sind gekippt, sämtliche fossilen Brennstoffe in einem letzten kriegerischen Rausch verbrannt. Es gibt nichts mehr zu gewinnen, nichts mehr zu verteidigen. Niemand will den Scheiß noch regieren. So nehmen die Überlebenden ihre Angelegenheiten selbst in die Hand, schön basisdemokratisch und nach dem Konsensprinzip. Und siehe da, es funktioniert.

Und sie machen den alten Eliten den Prozess, in Nürnberg, gemäß dem Vorbild der Kriegsverbrecherprozesse nach dem 2. Weltkrieg. Das Ziel ist nicht Rache, sondern Erkenntnis und Versöhnung. Doch eine kleine Gruppe neonazistischer Klimaleugner will die Versöhnungsparty sprengen. Quer durch Deutschland marschieren sie, gepeinigt von Fluten und Wüsten, auf der Flucht vor Tornados, Waldbränden und tropischen Mücken, nach Nürnberg zu. Wird es den braunen Dummbeuteln gelingen, ihren Quatsch durchzuziehen?

(*) Das Studentenwerk Ndb/Opf verhindert seit Sommer 2019 Aufführungen des ueTheaters im Elly Maldaque Theater an der Uni, daher „in Verbannung“. Weitere Informationen dazu hier.


Kritik I

Regensburger AgitProptruppe des Arbeiterbunds für den Wiederaufbau der KPD, 04. März 2020

Lieber Kurt, liebe ueTheater-Gruppe,

Mit großem Interesse haben wir euer Stück „Nach uns die Sintflut“ besucht. Und den größten Teil des Stückes waren wir auch begeistert von den Ideen, den unglaublich gut recherchierten Fakten und der Darbietung. Gerade dass ihr mit bestimmt einiger Mühe es schafft, die Unmenschlichkeit des Kapitalismus so prägnant und anklagend darzustellen, beeindruckt. So ist das Stück, wie so viele des ueTheaters schon zuvor, auch ein politisches Einmischen und Anklage gegen die herrschenden Zustände.

Am Schluss blieben wir dennoch etwas ratlos zurück. Was ist denn am Ende die Aussage? Dass sich der Kapitalismus selbst abschaffen bzw. vernichten wird und man deshalb einfach abwarten und hoffen kann, dass einen die Vernichtung nicht trifft? Dass dann automatisch und ganz von selbst eine bessere Gesellschaft entsteht? Dass sich auch die schlimmsten Profiteure der Vernichtung von Mensch und Natur hoffentlich einmal überzeugen lassen werden? Dass also kein Kampf gegen das herrschende Gesellschaftssystem notwendig ist?

Da hätten wir uns doch mehr erhofft.

Vielleicht gibt es von eurer Gruppe ja bald mal ein Stück, dass die Notwendigkeit des Kampfes gegen Faschismus, Krieg und Zerstörung aufzeigt? In der Hoffnung, eine Diskussion bei euch anzuregen, und vielleicht auch eure Gedanken dazu zu erfahren, senden wir euch kämpferische Grüße!


Auf besonderen Wunsch des Arbeiterbundes veröffentlichen wir auch die Antwort des Autors auf die Kritik, 05. März 2020

Hallo liebe Leute,

ich freue mich sehr über eure Kritik! Das ist politischer Austausch, wie ich ihn möchte! Eine kurze Stellungnahme dazu: Ich bin keinesfalls der Ansicht, dass der Kapitalismus einfach von selber aufhört. Der Plot, Weltkrieg III und antikapitalistische Aufbruchstimmung ist eine historische Übertragung der Vorgeschichte der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. Sogar die CDU hat im Ahlener Programm damals antikapitalistische Töne angeschlagen. Ihr habt aber Recht, dass dies ohne diesen historischen Bezug wie ein Automatismus wirken könnte und auch eine sehr pessimistische Botschaft beinhaltet: Mensch kann eh nichts machen. Wir müssen leider auf einen Weltkrieg warten. Nein! Der Kapitalismus ist menschengemacht und kann daher von Menschen auch wieder abgeschafft werden.

Die Aussage des Stückes sollte sein, dass die momentane Wirtschaftsform zerstörerisch und wahnsinnig ist und keinesfalls auch nur ansatzweise reformiert werden kann. Die Lösung kann nur ein solidarisches und gemeinsam geplantes Wirtschaften sein. Wie dies erreicht werden kann, wird aber im Stück nicht beantwortet.

Zwar halte ich den Übergang durch Weltkrieg und in dessen Zuge die Vernichtung aller fossilen Rohstoffe – was dem Kapitalismus seinen momentanen Treibstoff nimmt und daher zu seinem Tod führen könnte –, für ein realistisches Szenario, aber soweit soll und darf es natürlich nicht kommen!

Vor einiger Zeit hatte ich schon mal die Idee zu einem Theaterstück, das den möglichen Übergang zu einer menschlichen Welt schildern soll. Arbeitstitel: „Wir übernehmen den Media-Markt!“. Eure Kritik motiviert mich, mir dazu wieder verstärkt Gedanken zu machen.

Liebe, solidarische Grüße, Kurti


Kritik II

Walter Hoffmann, 15. März 2020

Welt-Theater im Wirtshaus

Nachdem das studentische Ensemble ueTheater letztes Jahr aus der Uni "verbannt" worden war, weil es der Spielstädte den Namen "Elly-Maldaque-Theater" gegeben hatte, musste für die Inszenierung und Aufführung des neuen Stückes schnell eine neue Bühne gesucht werden. Kurt Raster, Autor des Stückes und Leiter des ueTheaters, fand schließlich einen passenden Proben- und Aufführungsort im Saal der Vereinsgaststätte des Sport-Club Regensburg.

Anspruchsvolles politisches Theater im traditionellen Wirtshausbetrieb - konnte das gutgehen? Nach zehn Probentagen und drei Aufführungen Mitte Februar war allseits klar: Die Kooperation zwischen Theater und Wirtshaus funktionierte viel besser als allseits erwartet. Vermutlich noch nie konnte man in Regensburg in einem gutbürgerlichen Wirtshaus mitreißenderes Theater erleben als bei den drei Aufführungen von "Nach uns die Sintflut" in der SC-Sportgaststätte.

Das neueste Stück aus der Feder von Kurt Raster ist ein theatralisches Monstrum mit nahezu allen dramaturgischen Elementen, die das politische Theater als "moralische Anstalt" aufweisen kann und darf. In seinem zweieinhalb Stunden dauernden Theaterstück beschreibt der Autor in rund zwanzig Szenen, welche Katastrophe der menschengemachte Klimawandel für die Welt bedeutet und wer dafür verantwortlich ist, dass in den kommenden zehn Jahren große Teile der Welt unbewohnbar sein und Millionen Menschen ihr Leben verlieren werden.

Ausgangsszenario ist das Jahr 2030: Deutschland ist durch den Klimawandel und Kriegszerstörung weitgehend unbewohnbar geworden. Es gibt weder öffentliche Wasser-, noch Stromversorgung, ebensowenig Autos, weil der Treibstoff fehlt, und die meisten Straßen sind nicht mehr befahrbar. Der Staat und seine Institutionen existieren nicht mehr.

Die Macht liegt seit einiger Zeit in den Händen der Überlebenden, die – in demokratischen Genossenschaften organisiert – in Nürnberg ein weltweites, öffentliches Tribunal veranstalten, um die Verursacher der Menschheitskatastrophe anzuklagen und zu bestrafen. Ankläger sind der Vertreter der Nichtindustriestaaten, die Vertreterin der Flüchtlinge und die Vertreterin der Kinder der Welt.

Angeklagt sind die Vertreterin der Politik, der Vertreter der Wirtschaft und der Großbanken, die Vertreterin der Medien als "professionelle Klimaleugner", die Vertreterin der Superreichen und die Vertreterin von Militär, Polizei und Geheimdienste. Das Tribunal hat keinen Chefankläger, sondern einen "Moderator".

Während des Tribunals kommen alle einschlägigen Themen zur Sprache: der Kapitalismus als Hauptverursacher des Klimawandels, die Zunahme von Wetterkatastrophen, das weltweite Flüchtlingselend, die Vernichtung der natürlichen Lebensräume, das Elend der Nutztiere, die Vernichtung der Wildtiere, der Anstieg des Meeresspiegels, der Terror durch Militär und Polizei, die Ignoranz der Reichen, die Ausreden der Politiker und Wirtschaftslobbyisten, die düstere Zukunft der Kinder, das Leben ohne technische Zivilisation und der Aufbau einer quasi anarchischen, basisdemokratischen Gesellschaft.

Parallel zum Tribunal in Nürnberg marschiert eine Gruppe von deutschen Nationalrassisten zu Fuß durch das weitgehend zerstörte Deutschland von Hamburg nach Nürnberg, um das Tribunal zu beenden und gewaltsam die Nationale Befreiung Deutschlands zur Wiederherstellung der alten Zustände herbeizuführen. Während des Marsches auf Nürnberg behandelt die Gruppe folgende Themen: die Überschwemmung Hamburgs, außergewöhnliche Regenstürme im Harz, eine Windrad-Sabotage, Wüstenklima in der Lüneburger Heide, Zerstörung des Klimawandelleugner-Instituts in Jena, Fälschung des Buches von Edward Snowden, Wagnereuphorie in Bayreuth, Permakultur in Genossenschaftshand, Prepper-Netzwerk zur Waffenbeschaffung.

Ein wahres Themen-Inferno also, und nicht wenige Aufführungsbesucher hatten den Eindruck, dass die Menge der angesprochenen Themen für drei, vier oder mehr abendfüllende Theaterstücke ausreichen würde.

Dass die inhaltliche Überfülle sich kaum auf den Erfolg beim Publikum auswirkte, ist der geschickten Inszenierung zu verdanken: Zum einen wird der Zuschauer gefesselt durch die szenische Abwechslung zwischen dem weitgehend statischen Tribunal, das vorne auf der Hauptbühne stattfindet, und dem dynamischen Zug der deutschen Nationalrassisten durch das zerstörte Deutschland, die sich entweder durch den Zuschauerraum bewegen oder auf einer kleinen Bühne mitten im Saal agieren. Zum anderen bekommt der Zuschauer völlig unterschiedliche Theaterarten zu sehen: Das Tribunal hat tragischen, dokumentarischen und völlig ernsten Charakter, der Zug der Gruppe dagegen wirkt satirisch, derb-spaßig und völlig unernst. Die szenenthematisch gemalten und an die Stirnseite des Saales projizierten Bühnenbilder der Regensburger Künstlerin Caro Schöttl, die auch das Werbeplakat für "Nach uns die Sintflut" kongenial kreiert hatte, taten ein Übriges, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erhalten.

"Nach uns die Sintflut" ist also gleichzeitig Satire und Tragödie, brutale Dokumentation und kitschige Utopie, Farce, Travestie und Posse. Dass das nicht für jeden Zuschauer eine erträgliche Diskrepanz war, zeigte sich an der Totenstille und Betroffenheit, die sich im ganzen Saal breitmachte, als während einer Tribunalszene ein dreiminütiger Film über Qualen in der Massentierhaltung und in den Versuchslaboren an die Wand projiziert wurde. Ein Schnitzel wollte danach kein Zuschauer mehr bestellen.

Außer auf der spannenden Inszenierung beruhte die Begeisterung des Publikums aber vor allem auf der packenden Leistung der sechzehn Laienschauspieler, die es fertig brachten, das Publikum in fast jeder Szene emotional herauszufordern. Von der ersten Minute an spürten die Zuschauer, dass sich jede Darstellerin und jeder Darsteller in die Rolle nicht nur textlich-gedanklich, sondern auch emotional vertieft hatte. Jenseits der inhaltlichen Fakten, die vielen Zuschauern schon vorher bekannt waren, erzeugte das gesamte Ensemble durch sein unglaublich lustvolles Spiel eine Stimmung der Ergriffenheit im Publikum, die niemand, der dabei war, so schnell vergessen wird. Im bis zum letzten Platz gefüllten und bewirtschafteten Wirtshaussaal folgte das Publikum gebannt, manchmal fast atemlos den Spielszenen.

Die im Text vorgegebene rationale Aussage mit der dazu passenden emotionalen Ausdrucksweise zu verbinden, verlangt intensive Übung. Nur ein theaterpädagogisch so versierter und menschlich-politisch engagierter Regisseur wie Kurt Raster vermag es, ein nicht-professionelles Ensemble zu einer so spannenden, intensiven und nachhaltigen schauspielerischen Leistung zu motivieren, dass der thematische Overkill des Stücks völlig in den Hintergrund trat. Die Regensburger Öffentlichkeit sollte dankbar und stolz sein, mit Kurt Raster und seinem ueTheater den unverzichtbaren Anspruch auf kritisches, zeitnahes und breitenwirksames politisches Theater erfüllen zu können.


Video

Kamera: Vanessa Süß

 

Szenenbilder

Fotos: Herbert Baumgärtner und Kurt Hanauer