UtopiA

Premiere

UtopiA

Ein realistisches Musical

15. Dezember 2016
Elly Maldaque Theater
an der Uni Regensburg

 


Besetzung

Le, Kind 8, Kleinkind 1, Flücht 2 Hussein Alkadi
Flücht 4 Arnold Amasala
Veron, Kell, Grup 5, Bürgrat 1 Lea Dürr
Mar, Kind 7, Wissenschaft 4, Grup 7, Moderation 1, Pfleg 1, Keyboard, Gesang Laura Ferstl
Do, Kind 6, Teenage, Bot 1 Marianne Guérin
Schlagzeug Franz Huber
Su, Kind 5, Glo, Flücht 1 Tanja Huber
Fel, Kind 4, Lor, Grup 1, Lieb 2, Querflöte Nicole Kampa
Ter, Ru, Grup 3, Bot 2 Fiona Kappaun
Elis, Kind 3, Wissenschaft 3, Ir,
Bürgrat 4
Martin Mühlich
Lud, Nic, Wissenschaft 1, Grup 6, Bürgrat 2, Bratsche Marlene Neuland
An, Kind 2, Chri, Erwachs 1, Diktator, Gitarre, Gesang Fabian Oesterle
Günt, Gab, Kind 9, Wissenschaft 2, Lieb 1 Sophia Opel
Text, Musik, Bühne, Bass, Gesang Kurt Raster
Pet, Moderation 2, Pfleg 2 Jana Reinel
Kirs, Jo, Gruppe 4, Bürgrat 3 Marina Siebert
Flücht 3 Daje Weber-Trebesch
Kind 1, Seb, Gruppe 2 Jana Weber-Trebesch

Presseinfo

UtopiA

Ein realistisches Musical von Kurt Raster

So kann's gehen: über Nacht werden alle städtischen Politiker_innen und Verwaltungsangestellte Regensburgs wegen Korruption abgesetzt. Fluchtartig verlassen daraufhin die Reichen und Schönen die Stadt, da sie ja nun keine Erfüllungsgehilfen mehr haben. Und auch die Polizist_innen gehen nach Hause, denn sie werden von keinem mehr bezahlt. Ihnen folgen stante pede Richter und Staatsanwälte. Ohne Polizei haben sie nichts zu melden.

Kurz: Regensburg steht von jetzt auf gleich ohne jegliche Führung und Verwaltung da. Was tun?

Dies ist der Plot des neuen Theaterstücks des ueTheaters Regensburg. Ganz konkret wird erforscht, wie eine selbstverwaltete Kommune nach allen Regeln der Basisdemokratie ausschauen könnte. Wie wird die Wirtschaft organisiert, wie das Zusammenleben? Wird es noch Geld geben? Werden die Menschen heiraten oder der freien Liebe frönen? Schule, Kunst, Freizeit, Wohnen, Energie, Müllabfuhr, Gesundheit, Arbeit – Wie sieht eine wirklich freie Gesellschaft aus?

Diese Frage wird vom ueTheater mit viel Musik, Emotion und Wissenschaft beantwortet. Die Forschungsergebnisse der Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom zur Allmende, Bookchins überlegungen zum „Libertären Kommunalismus“ sowie nicht zuletzt die Beispiele Pariser Kommune, Chiapas oder El Alto dienen als Ressourcen.

Immer mehr Menschen machen sich sehr fundierte Gedanken darüber, wie die Welt anders gestaltet werden könnte. Das ueTheater will sich mit künstlerischen Mitteln an diesem Prozess beteiligen. Denn eines ist klar: Es ist utopisch zu glauben, dass unsere jetzige Gesellschaft eine Zukunft hat.


Kritik

Mittelbayerische Zeitung, 16.12.2016

Kunterbunte Anarchie

Die politische Theatergruppe ueTheater entwirft in einem farbenfrohem Stück das Modell eines anarchischen Regensburgs, inklusive Flüchtlingskrise und Gesangseinlagen.

Utopia: Ursprünglich als Wortneuschöpfung für eine fiktive paradiesische Insel vom Philosophen Thomas Morus erfunden, bezeichnet der Begriff heute die Imagination einer idealen Gesellschaft. Genau das ist auch die Handlung des gleichnamigen Stücks von Kurt Raster, das am Donnerstag an der Universität Premiere feierte. Ausgangslage ist hierbei ein Regensburg, in dem über Nacht alle Politiker wegen Korruption abgesetzt werden. Fluchtartig müssen sie deshalb die Stadt verlassen, und mit ihnen verschwinden nicht nur die Reichen und Mächtigen, sondern auch der Kapitalismus. Hier setzt nun die Handlung von „Utopia“ ein, das sich in facettenreichen Szenen mit der Frage auseinandersetzt, wie sich eine menschenwürdige, freie und gleiche Gemeinschaft organisieren kann.

Konkret geschieht das in zwei Akten, der erste gespielt, der zweite gesungen. Im ersten Akt erforschen einzelne Szenen jeweils einen Aspekt der Organisation einer solchen utopischen Gesellschaft – von der Gestaltung des Schulunterrichts bis zur gerechten Aufteilung unangenehmer Arbeiten. Im zweiten Akt kommt es zum erzählerischen und musikalischen Höhepunkt, wenn aus der Entscheidung der abtrünnigen Regensburger Utopianer, massenhaft Flüchtlinge aus der letzten kapitalistischen Enklave München aufzunehmen, beinahe ein Krieg resultiert.

„Utopia“ thematisiert dabei auf unterhaltsame Art und Weise aktuelle gesellschaftspolitische Themen, wie etwa die bereits genannte Flüchtlingsfrage. So geistert Gloria von Thurn und Taxis als Domgespenst durch eine Szene, und der geschichtsträchtige Slogan „Wer hat uns verraten – die Sozialdemokraten“ wird in den aktuellen Kontext der Politikverdrossenheit gesetzt. Verpackt wird die Handlung in ein minimalistisches, aber farbenfrohes Bühnenbild, eingängige musikalische Untermalung und einen positiven Grundton, wodurch der gesellschaftliche Zukunftsentwurf allerdings zum Teil etwas naiv und unbedarft gerät. Anarchie als reine Herrschafts-, aber keineswegs Gesetzlosigkeit, wie sie das ueTheater präsentiert, mag vielleicht schön, aber auch eher kurz gedacht sein.

Lässt man jedoch allen Realismus beiseite, könnte man zu dem Schluss kommen, dass den gegenwärtigen Mängeln unserer Gesellschaft vielleicht nur mit solch unbedarfter, kunterbunter Naivität begegnet werden kann. Und immerhin kann eine Gesellschaft nur solange utopisch sein, solange sie gar nicht existiert, ist doch die fiktive Natur der Kern einer jeden Utopie. Denn ansonsten wäre sie ja bloß eine weitere Variation der Realität.


Video

 

Dokumentation

Lieder

 

A) Gesetz und Freiheit ohne Gewalt

Aus dem Nachlass von Immanuel Kant

A. Gesetz und Freiheit ohne Gewalt (Anarchie).
B. Gesetz und Gewalt ohne Freiheit (Despotismus).
C. Gewalt ohne Freiheit und Gesetz (Barbarei).
D. Gewalt mit Freiheit und Gesetz (Republik).

 

B) Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen

Karl Marx: „Kritik des Gothaer Programms“

In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen – erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!

 

C) Der gegenseitige Beistand

Peter Kropotkin: „Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt“

Die höhere Vorstellung: „Keine Rache für Übeltaten“ und freiwillig mehr zu geben, als man von seinen Nächsten zu erhalten erwartet, wird als das wahre Moralprinzip verkündigt – als ein Prinzip, das wertvoller ist als der Grundsatz des gleichen Maßes oder die Gerechtigkeit, und das geeigneter ist, Glück zu schaffen. Und der Mensch wird aufgefordert, sich in seinen Handlungen nicht bloß durch die Liebe leiten zu lassen, die sich immer nur auf Personen, bestenfalls auf den Stamm bezieht, sondern durch das Bewusstsein seiner Einheit mit jedem Menschen. In der Betätigung gegenseitiger Hilfe, die wir bis an die ersten Anfänge der Entwicklung verfolgen können, finden wir also den positiven und unzweifelhaften Ursprung unserer Moralvorstellungen; und wir können behaupten, dass in dem ethischen Fortschritt des Menschen der gegenseitige Beistand – nicht gegenseitiger Kampf – den Hauptanteil gehabt hat.

 

D) Die freie Entwicklung eines jeden

Aus dem Kommunistischen Manifest

An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.

 

E) Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab

Jean-Jacques Rousseau: „Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“

Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen „Dies gehört mir“ und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: „Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, die Erde aber niemandem gehört.

 

F) Entwicklung lebendiger Gehirne

Francisco Ferrer: „Die Moderne Schule“

In der ersten Nummer des Mitteilungsblattes der Modernen Schule, die am 30. Oktober 1901 herausgegeben wurde, veröffentlichte ich eine allgemeine Übersicht über die Grundprinzipien der Schule, die ich im folgenden wiederhole: Entwicklung lebendiger Gehirne, die fähig sind, auf äußere Eindrücke zu reagieren, die immer Feinde aller Vorurteile sein werden; Erwecken von freien, festbegründeten Geistern, die über alle Dinge und Erscheinungen des Lebens sich ihre eigene Meinung bilden können.

 

G) Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen

Karl Marx: „Zur Kritik der Politischen Ökonomie. Vorwort.“

Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure überbau langsamer oder rascher um.

 

H) Das höchste Wesen für den Menschen

Karl Marx: „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung“

Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.

 

I) Ist dies utopisch?

Oscar Wilde: „Der Sozialismus und die Seele des Menschen“

Und wenn gebildete und gelehrte Männer es nicht länger nötig haben, in ein fürchterliches Armenviertel hinabzusteigen und schlechten Kakao und noch schlechtere Decken an halbverhungerte Menschen zu verteilen, so werden sie eben köstliche Musse haben, wundervolle und herrliche Dinge zu ihrer eigenen und aller andern Freude zu ersinnen. Es wird grosse Kraftstationen für jede Stadt und, wenn nötig, für jedes Haus geben, und diese Kraft wird der Mensch je nach Bedarf in Wärme, Licht oder Bewegung verwandeln. Ist dies utopisch? Eine Weltkarte, in der das Land Utopia nicht verzeichnet ist, verdient keinen Blick, denn sie lässt die eine Küste aus, wo die Menschheit ewig landen wird.

 

J) Dass es mit dem autoritären Sozialismus nicht geht

Oscar Wilde: „Der Sozialismus und die Seele des Menschen“

Es ist also klar, dass es mit dem autoritären Sozialismus nicht geht. Es ist sehr schlimm, dass ein Teil unserer Gemeinschaft sich tatsächlich in Sklaverei befindet, aber der Vorschlag, das Problem so zu lösen, dass man die ganze Gemeinschaft versklavt, ist kindisch. Jedem muss völlig die Freiheit gelassen sein, sich selbst seine Arbeit auszusuchen. Keine Form des Zwangs darf ausgeübt werden. Wenn Zwang herrscht, dann wird seine Arbeit nicht gut für den Arbeitenden sein und nicht gut für die andern.

 

K) Das bedeutete Anarchismus für mich

Emma Goldmann: „Living My Life“

Ich lebte wieder auf. Bei den Veranstaltungen gehörte ich zu den unermüdlichsten und ausgelassensten Tänzerinnen. Eines Abends nahm mich ein junger Vetter von Sascha beiseite. Mit ernster Miene, so als wollte er den Tod eines teuren Genossen bekannt geben, flüsterte er mir zu, dass es sich für einen Agitator nicht gehörte zu tanzen. Es wäre unwürdig für jemanden, der eine treibende Kraft in der anarchistischen Bewegung werden wollte.
Die schamlose Einmischung des Jungen machte mich wütend. Ich konnte nicht glauben, dass eine Sache, die für ein schönes Ideal stand, für Anarchie, für Zufriedenheit und Freiheit von Konventionen und Vorurteilen, die Verleugnung des Lebens und der Freude fordern könnte. Die Sache durfte nicht erwarten, dass ich zur Nonne und die ganze Bewegung zu einem Kloster würden. Wenn sie es dennoch tat, wollte ich nichts damit zu tun haben. Ich möchte Freiheit, mich selbst verwirklichen können, jeder soll das Recht haben, Schönes und Sinnvolles zu tun. »Das bedeutete Anarchismus für mich«, sagte ich zum ihm.

 

L) Die Zukunft ist, was Künstler sind

Oscar Wilde: „Der Sozialismus und die Seele des Menschen“

Manchmal fragen die Leute, unter welcher Regierungsform ein Künstler am angemessensten lebe. Darauf gibt es nur eine Antwort. Für den Künstler gibt es nur eine passende Regierungsform, nämlich gar keine Regierung. Aber die Vergangenheit ist ohne Bedeutung, die Gegenwart ist ohne Gewicht. Wir haben es mit der Zukunft zu tun. Denn die Vergangenheit ist, was der Mensch nicht hätte sein sollen. Die Gegenwart ist, was der Mensch nicht sein sollte. Die Zukunft ist, was Künstler sind.


Szenenbilder

Fotos: Herbert Baumgärtner